© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/22 / 01. April 2022

Die G7-Staaten lehnen die Forderung von Gaszahlungen in Rubel ab
Putins Tabubruch
Thomas Kirchner

Es war eine neue Eskalationsstufe der Sanktionsspirale im Ukraine-Krieg: Nur eine Woche Zeit gab Präsident Wladimir Putin dem halbstaatlichen Gazprom-Konzern, dann sollten nur noch Rubel als Zahlung für Gasexporte an 48 „unfreundliche“ Länder akzeptiert werden. Bislang wurden 97 Prozent der Gasexporte in Dollar oder Euro beglichen. Die G7-Staaten lehnten das ab – wie lange nun noch das Gas nach Deutschland und Italien fließt, ist unklar. Für Großbritannien, Frankreich, Kanada und die USA spielt russisches Gas keine Rolle. Japan will die 8,8 Prozent Gasimportanteil mit Flüssiggas (LNG) aus Malaysia, den USA und Australien ersetzen.

Der Zeitpunkt war von Putin bewußt gewählt: Moskaus Börse ist wieder offen, Währungshandel im Rubel findet wieder statt. Waren zuletzt 177 Rubel für einen Dollar verlangt worden, stieg die Währung nach der Ankündigung zeitweise auf 96 Rubel pro Dollar. Denn westliche Gaskäufer müßten nun Rubel zur Zahlung der Lieferungen erwerben, was die Währung angesichts bevorstehender Kapitalflucht stabilisiert. 2021 hatte Gazprom 69 Milliarden Dollar an Exporten in die betroffenen Länder. Die Juristen werden sich streiten, ob Putins Anordnung eine Vertragsverletzung ist, oder ob Gazprom sich auf höhere Gewalt berufen kann.

Die Abwicklung der Währungsgeschäfte müßte über die nicht sanktionierten Privatbanken laufen, obwohl Zahlungen für Energie über die Zentralbank von den Sanktionen ausgenommen sind. Das bedeutet, daß russische Währungsreserven, die künftig anfallen, privatisiert sind. Das ist nicht weiter ungewöhnlich, denn die Zentralbanken mehrerer Länder sind teilweise in Privatbesitz. Es steht allerdings zu vermuten, daß die Zentralbank als Bankenaufsicht diese privaten Währungsreserven wie ihr Eigentum verwalten wird. Der Kauf der Devisen durch die Privatbanken wird die Geldmenge erhöhen, was grundsätzlich inflationär wäre. Die Erweiterung der Geldmenge dürfte etwa 15 Prozent betragen, was im Vergleich zur Expansion durch Fed und EZB der letzten Jahre wenig ist. Allerdings werden die neu geschaffenen Rubel durch Devisen hinterlegt sein. Es wäre also denkbar, daß Rußland eine Art „currency board“ errichtet, wobei der Rubel durch Ankerwährungen hinterlegt wird, wie es beim Hongkong-Dollar der Fall ist.

Schon seit Jahren wird wegen der expandierenden Goldreserven spekuliert, Rußland wolle eine harte Währung schaffen. Die Sanktionen könnten dies erleichtern. Eine andere Möglichkeit, an Rubel zu kommen, wäre der Export. Aber dazu müßten die Sanktionen aufgeweicht werden. Die Investmentbank JP Morgan schätzt, daß die westlichen Sanktionen Rußland elf Prozent der Wirtschaftsleistung kosten, das wären etwa 165 Milliarden Dollar im Jahr. Doch in den westlichen Ländern reduzieren die Sanktionen das Wachstum um 2,1 Prozent. Bei einer Wirtschaftsleistung von 17 Billionen Dollar wären das allein in der EU etwa 357 Milliarden Dollar – und  das nach zwei depressiven Corona-Jahren.

Die Sanktionsschäden sind im Westen also um ein Vielfaches höher als in Rußland. Putin hatte schon vor Monaten gesagt, russisches Erdgas würde geliefert, solange es bezahlt wird. Mit der Forderung nach Bezahlung in Rubel zeigt er, wer hierbei am längeren Hebel sitzt. Bleibt abzuwarten, ob Putin auch für andere Rohstoffe künftig Rubel verlangt. Macht das Beispiel Schule, könnte die Karriere des Dollars als Weltleitwährung seit Bretton Woods einen empfindlichen Knick erleiden.