© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/22 / 01. April 2022

Der Mann hinter dem Vorhang
Netzwerk: George Soros hat mehr als 30 Milliarden Dollar für linke und linksliberale Organisationen bereitgestellt
Robert Mühlbauer

In der Geschichte hat vermutlich noch nie ein einzelner Mensch mehr Geld in die Verfolgung seiner politischen Ziele gesteckt als George Soros. Er unterstützt mit Milliarden ein weltweites Netz von linken und linksliberalen Organisationen, Instituten, Medien und Kampagnen, unterhält direkte Kontakte ins Weiße Haus, in die EU-Kommission, zu zahlreichen Regierungen und agiert damit als größter lebender „Influencer“ der Politik, wobei er selbst oft diskret im Hintergrund bleibt – er ist „The Man Behind the Curtain“, wie der amerikanische Journalist und Autor Matt Palumbo sein aufschlußreiches neues Buch betitelt.

Die kaum vorstellbare Summe von 32 Milliarden Dollar hat der 91jährige ungarisch-amerikanische Finanzinvestor im Laufe seines Lebens seinen Open Society Foundations (OSF) gegeben, wovon erst knapp die Hälfte für ein kaum überblickbares Netzwerk von Institutionen und Kampagnen ausbezahlt worden ist. Es ist ein Verdienst von Palumbos Buch, erstmals einen breiten, zugleich detaillierten Überblick darüber zu verschaffen. Newt Gingrich, früherer Sprecher des amerikanischen Repräsentantenhauses, nennt es „eine tiefe, wichtige Studie über einen der einflußreichsten Männer unserer Zeit“. Er meint: „Das Ausmaß, in dem Soros praktisch jeden Aspekt der öffentlichen Politik infiltriert hat, ist alarmierend und sollte Anlaß zur Sorge für jeden Amerikaner sein.“ Nicht nur für die Amerikaner, kann man hinzufügen.

In einem Zeitschriftenartikel sagte Soros einmal, man müsse „verschiedene Masken tragen“. Mal behauptete er, mit Ereignissen (konkret einem Umsturz in Georgien) habe er „nichts zu tun gehabt“; an anderer Stelle bezeugt er „großen Stolz, daß ich dazu beigetragen habe“. Gäbe es einen politischen Investor, der weltweit Organisationen mit rechtsgerichteten Zielen (zum Beispiel traditionelle Familienpolitik, Anti-Abtreibungskampagnen, Widerstand gegen Gender- und Transgender-Gesetze, für konservative Kulturpolitik und Law and Order) jährlich mit Milliarden finanzierte, würde man einen Aufschrei linker Medien und Wissenschaftler hören. Ein „Geld kauft Einfluß“-Dauerlamento wäre unvermeidbar.

Bei Soros sind sie auffallend still, weil er ihnen genehme politische Ziele verfolgt. Kritik an Soros wird oft unsachlich als „antisemitisch“ diffamiert, wobei – wie Palumbo zeigt – Soros in Israel selbst keineswegs gut gelitten ist, wo seine Organisationspartner durchweg pro-palästinensische Narrative und Klagen über „rassistische israelische Apartheidspolitik“ verbreiten. Rechte Regierungen Israels und besonders Ministerpräsident Netanjahu haben Soros harsch angegriffen, auch in den USA kritisierten ihn konservative Juden.

Es ist ein klares Muster einer politischen Linksverschiebung bei Soros zu beobachten. Als der 1930 in Budapest geborene Holocaust-Überlebende, der 1947 nach England emigrierte, wo er an der London School of Economics and Political Science studierte und seinen Abschluß machte, als Hedgefondsmanager seine ersten 100 Millionen gemacht hatte und in den frühen 1980ern Jahren anfing, erstmals nennenswert Geld für politische Organisationen und Kampagnen zu geben, lag sein Hauptaugenmerk auf osteuropäischen Dissidenten, die in den damals kommunistisch-autoritären Ländern für Freiheiten kämpften. Mit dem Untergang der Sowjetunion verschoben sich seine Ziele. Der Marxismus sei diskreditiert; Soros’ Hauptgegner wurde zunehmend jeglicher Konservatismus, den er als autoritären Gegner der „Offenen Gesellschaft“ ansah.

Das von ihm finanzierte Organisationsgeflecht kämpft heute für LGBTQ-Rechte, „Pro Choice“ (für freie Abtreibung) und gegen „strukturellen Rassismus“, der überall stecke. Im Europäischen Parlament besitzt Soros’ OSF zahlreiche Verbündete; besonders stark scheint sein Einfluß auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, von dessen Richtern erschreckend viele mit der OSF verbandelt sind und seine NGOs als Experten hofieren. In Osteuropa hat sich Soros im vergangen Jahrzehnt besonders in der Ukraine engagiert. Präsident Poroschenko war sein Protegé, über Selenskyj vermerkt Palumbo nur einmal kurz, daß dieser Soros’ Einfluß kritisiert habe.

Mitte der 1990er Jahre begann Soros erstmals als Großspender in der amerikanischen politischen Szene mitzumischen. Ein enges Verhältnis hatte er zu den Clintons; besonders zu Hillary Clinton besteht ein direkter Draht. Unter Bush waren ihm die Türen des Weißen Hauses versperrt. Über Obama zeigte er sich etwas enttäuscht, weil er sich mehr direkten Zugang gewünscht hatte. Trump war für ihn die „Bête noir“, ein Dorn im Auge, der Erzfeind, den er erbittert bekämpfte.

Mit Biden ist er wieder groß im Geschäft. Soros hat für Bidens Wahlkampf 2020 über das Vehikel Democracy PAC persönlich mehr als 70 Millionen Dollar gespendet, was ihn zum größten Einzelunterstützer machte, dazu kommen Dutzende größere und kleinere von ihm finanzierte Kampagnen, etwa aus dem Umfeld der „Black Lives Matter“-Bewegung, die Stimmung für Bidens Wahl machten. Natürlich ist es ironisch, wenn die Demokratische Partei gleichzeitig gegen den „korrumpierenden Einfluß des Big Money“ wettert: „Wir wollen den Einfluß von Geld in unserer Politik reduzieren, damit nicht eine Handvoll Familien und verdeckte Interessen die Wahlkämpfe finanzieren können“, tönte Biden in seiner „State of theUnion“-Rede. Bittere Ironie ist es natürlich auch, daß sich Soros für mehr „soziale Gerechtigkeit“ einsetzt, aber als milliardenschwerer Fondsmanager über Jahre keinen Penny Steuern zahlte. Als er 1992 „die Bank von England brach“, bezahlten die folgende Inflation besonders die sogenannten kleinen Leute.

Nicht alle deklarierten Ziele von Soros sind verkehrt, der Einsatz für Rechtsstaatlichkeit und gegen Korruption, für Demokratie, Weltoffenheit und Pressefreiheit klingt gut. Doch bleibt ein schaler Beigeschmack, weil er sie politisch einseitig instrumentalisiert. Er unterstützt eben primär linke Medien, sein Verständnis von Demokratie und offener Gesellschaft richtet sich fundamental gegen konservative Demokraten.

Nicht alle politischen Investments von George Soros gingen in seinem Sinne auf: Viktor Orbán war als junger, aufstrebender liberaler Politiker einst Empfänger eines Stipendiums von Soros’ OSF. Später wandelte er sich zum harten Soros-Kritiker und drängte die von ihm mit rund einer Milliarde Dollar finanzierte Central European University aus Ungarn heraus – der wohl schwerste Rückschlag für Soros. Auch in anderen Ländern, in Polen, in Rußland, in Indien und in Israel gab es Vorstöße, die Aktivitäten der von ihm finanzierten NGOs zu beschränken. Er sagte 2019, daß sich „der Wind gegen mich gedreht hat“.

Mit seinem Ableben dereinst wird Soros’ Einfluß indes nicht enden. Er hat sichergestellt, daß die OSF ihn überleben wird; ihr verbleibender Kapitalstock von wohl noch rund 18 Milliarden Dollar dürfte für Jahrzehnte reichen, um politischen Einfluß in seinem Sinne auzuüben.

Matt Palumbo: The Man Behind the Curtain. Inside the Secret Network of George Soros. Liberatio Protocol (Post Hill Press), New York 2022, gebunden, 224 Seiten, 28 US-Dollar