© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/22 / 01. April 2022

Schwanger und schlagfertig
Geschlechtlicher Identitätswechsel: Die Hauptrolle in dem Spielfilm „Juno“ spielte eine Frau, die inzwischen keine mehr ist
Dietmar Mehrens

Aktuelle Fotos von Elliot Page zeigen einen hageren jungen Mann mit weichen Zügen, der etwas scheu in die Kamera lächelt. Er wirkt schlaksig, unbeholfen und sein Lächeln drückt eine Unsicherheit aus, die eigentlich verschwunden sein müßte. Vor fünfzehn Jahren spielte  Elliot die Hauptrolle in dem Film „Juno“. Eine ungeplant schwangere 16jährige entscheidet sich darin gegen eine Abtreibung und für eine Adoption. Elliot hieß damals Ellen und war eine Frau.

Es ist ein Unterschied, ob man theoretisch von Transsexuellen hört oder liest, von Menschen, die sich operieren lassen in dem Glauben, im falschen Körper zu leben, oder es so konkret-anschaulich vor Augen geführt bekommt wie im Fall Elliot alias Ellen. Plötzlich begreift man, daß eine junge talentierte Schauspielerin ihre gesamte bisherige Existenz weggeworfen hat, weil eine Gesellschaft, die sich selbst auf elementarste Dinge nicht mehr einigen kann, nicht vermocht hat, ihr auszureden, daß sie in Wahrheit ein Mann sei.

Das Gefühl, daß Körper und Seele keine Einheit bilden

Ellen Page spielt in„Juno“ eine sehr frauliche junge Frau, und sie spielt sie hinreißend. Burschikos, aber auch grazil, hübsch, mitunter verführerisch. Und schwanger! Mehr Frau geht nicht. Die Schwangerschaft ist natürlich nur gespielt, doch man nimmt ihr in dem Film alles ab: das flippige Flüggewerden, das Hin- und Hergerissensein zwischen Überforderung und einsetzendem Mutterstolz, den Streß mit ihrem Freund, die Doris-Day-hafte Schlagfertigkeit, mit der sie allen Unbilden des Alltags trotzt, ihr Selbstbewußtsein. Ellen Page wurde für ihre grandiose Leistung mit einer Oscar-Nominierung für die beste weibliche Hauptrolle belohnt. Man mußte kein Prophet sein, um eine steile Karriere vorherzusagen.

Doch war sie bereits im Zweifel über ihre sexuelle Identität, als sie in der Rolle der Juno vor der Kamera brillierte? Die Antwort, die man auf solch skeptisches Nachfragen bekommt, lautet immer ja, gebetsmühlenhaft, wie in einem religiösen Bekenntnis. Denn darum geht es letztlich bei allen Fragen der geschlechtlichen Identität: um ein quasi-religiöses Bekennen von Gläubigen. Geschlechtsumwandlungen haben viel mit Glauben und Gefühl zu tun, dem Gefühl, daß Körper und Seele keine Einheit bilden, daß da etwas auf paradoxe Weise auseinanderfällt. Dieses innere Empfinden spielt bei Transsexuellen eine so dominante Rolle, daß biologische und anatomische Faktizität zu Statisten werden. Vielleicht könnte man es die Negativversion jenes Schwarmgeistes nennen, den Skeptiker Glaubensgemeinschaften attestieren, in denen es ihrer Ansicht nach mit der gefühlten Seligkeit oder seligen Gefühligkeit etwas übertrieben wird, den Pfingstgemeinden – hier das Einswerden mit dem Geist Gottes, dort das Auseinanderfallen mit sich selbst.  

Psychische Defekte der unterschiedlichsten Form und Ausprägung sind in unserer Wohlstandsgesellschaft zu einem alarmierenden Zeichen der Zeit geworden. Manche nehmen an, daß bei Geschlechtsumwandlungen ein psychisches oder spirituelles Problem chirurgisch gelöst wird. Einer der weltweit führenden Chirurgen für Genitalrekonstruktionen, Miroslav Djordjevic, wies bereits 2018 auf die wachsende Anzahl derer hin, die ihre Umoperation bereuen. Selbst die Transgender-Ikone Conchita Wurst will nach zwischenzeitlichen Depressionen keine Frau mehr sein. Und die Sexualmedizinerin Aglaja Stirn, eine Expertin für Selbstverletzungen, verweist auf den Zusammenhang zwischen Identitätskonflikten in der Jugend und dem Wunsch nach einem anderen Geschlecht (in Fachkreisen diskutiert als rapid onset gender dysphoria). Sie gibt zu bedenken: „Daß in der Entfernung z.B. der Brüste und des weiblichen Genitals eine Autoaggression steckt, ist eine Frage, der in der aktuellen Forschung bislang wenig bis gar nicht nachgegangen wird.“ Weil es im Zeitalter der Regenbogen-Orthodoxie nicht opportun ist?

Schaut man sich Elliots Lächeln heute genau an, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren: Es ist von dem herzhaft-befreienden Lachen der Ellen, die er damals war, so weit entfernt wie der Mars von der Venus. 

Der Film ist in der Mediathek von Servus TV abrufbar oder kann auf diversen Portalen gestreamt werden.