© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/22 / 01. April 2022

Das Migrationsmanagement des Kaiserreichs
Privatisierte Ostgrenze
(dg)

Der US-Kongreß verabschiedete 1882 zwei Einwanderungsgesetze. Das eine, der „rassistisch motivierte“ Chinese Exclusion Act, schloß asiatische Migranten weitgehend aus. Das andere, allgemeine Gesetz zielte auf offene Grenzen für die von der Industrie begehrten billigen Arbeitskräfte aus Süd- und Osteuropa. Ein Angebot, das angenommen wurde, denn nach 1900 passierten in manchen Jahren eine Million Menschen die New Yorker Einwanderungsstation Ellis Island. Ebenso betroffen von dieser Völkerwanderung war, als das wichtigste Transitland, das deutsche Kaiserreich. Doch die „erstaunlich effektive Organisation der Durchwanderung“, wie der Historiker Tobias Brinkmann (Pennsylvania) staunt, lag einmal nicht in Händen der preußischen Bürokratie, sondern, was weithin unbekannt sei, in denen hanseatischer Reedereien. 1894 hatte der preußische Staat die Kontrolle an seinen Grenzen zu Rußland vollständig an die Hapag und den Norddeutschen Lloyd abgetreten (Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 1/2022). Architekt des Systems war Hapag-Manager Albert Ballin. Diese „Privatisierung der Ostgrenze“ sei für beide Seiten und auch für die USA von Vorteil gewesen. Den Reedereien verschaffte es ein exklusives Transport-Monopol, während es die Staaten von der polizeilich-medizinischen Kontrolle der Migranten befreite.


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