© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/22 / 01. April 2022

Die Spalterin
Der Journalist Chaim Noll hat eine gnadenlose Abrechnung mit Angela Merkel vorgelegt
Boris T. Kaiser

Nach dem Abtritt von Angela Merkel als Bundeskanzlerin hat die große Zeit der politischen Nachrufe auf die erste weibliche Regierungschefin in der Geschichte der Republik begonnen. „Der Rufer aus der Wüste: Wie 16 Merkel-Jahre Deutschland ramponiert haben“ ist eines der am trefflichsten formulierten Genrewerke, das derzeit auf dem deutschsprachigen Buchmarkt zu finden ist. Geschrieben wurde die Abrechnung mit der Regentschaft der Kanzlerin a.D von dem deutsch-israelischen Journalisten Chaim Noll. Der in der DDR aufgewachsene – und in den späten 1990er Jahren nach Israel ausgewanderte – Schriftsteller liefert eine schonungslose Analyse seiner einstigen Heimat und dem, was mehr als anderthalb Dekaden Merkel-Regierung aus ihr gemacht haben.

Der Autor, der regelmäßig für den Politblog „Die Achse des Guten“ schreibt, in dessen Verlag sein Buch erschienen ist, läßt kein gutes Haar an der ehemaligen Regierungschefin. Das Bild, das der Essayist von Merkel und ihrem Deutschland zeichnet, könnte bitterer und böser kaum sein; und doch erscheint sein Urteil, spätestens nach der Lektüre seiner 198 Seiten starken Streitschrift, durch und durch gerecht. 

Die ehemalige FDJ-Funktionärin habe das „Freund-Feind-Denken innerhalb desselben Volkes wieder eingeführt“, schreibt der einstige DDR-Regimegegner, angesichts der aktuellen Spaltung der deutschen Bevölkerung. Merkels „Regierungssystem“ attestiert er einen „Mangel an Empathie“. Auch und gerade in ihrer als „Willkommenskultur“ inszenierten Flüchtlingspolitik. Die „pathologische Toleranz der hiesigen Politiker, Justiz und Medien, gegenüber dem muslimischen Judenhaß“, habe zu einer allgemeinen „Wiederbelebung“ des Judenhasses in Deutschland geführt, mit dem viele deutsche Schüler heute auf Schulhöfen aufwüchsen, auf denen „Jude“ ein ebenso gängiges wie verächtliches Schimpfwort sei, mit dem vor allem ihre „muslimischen Mitschüler operieren“ würden, so der knallharte Vorwurf des israelischen Journalisten gegenüber der Kanzlerin und ihrem Gefolge. 

Scharfe Kritik übt Noll auch an Merkels Corona-Politik. Diese habe das Land „auf erschreckende Weise eingefroren und zentralisiert“, so daß die „Gewaltenteilung, eine Grundbedingung der bürgerlichen Demokratie“, allenfalls noch „rudimentär“ funktioniere. Gäbe es eine weibliche Form des lateinischen Namens für den Todesengel, „Angelus mortis“, dessen Berührungen „Lebendes in Totes, Hoffnung in Depression, eben noch blühendes Land in Wüste“ verwandele, dann, so befindet der Polit-Analyst aus dem fernen Israel, „würde er Angela heißen, Angela mortis“.

Chaim Noll: Der Rufer aus der Wüste. Wie 16 Merkel-Jahre Deutschland ramponiert haben. Eine Ansage aus dem Exil in Israel. Achgut Edition, Berlin 2021, broschiert, 200 Seiten, 19 Euro