© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/22 / 01. April 2022

Hartes Training und kein Honigschlecken
Wrestling fristet in Deutschland – noch – ein Schattendasein
Josef Hämmerling

Wrestling oder auch Catchen – für viele noch immer eine tumbe Klopperei zweier muskulöser und übergewichtiger Männer. Doch das ist es schon lange nicht mehr. In den USA ist es seit Jahren als „Sports Entertainment“ etabliert und lockt seit über zwei Jahrzehnten mehrmals in der Woche Millionen Zuschauer vor die Fernseher. Zu den Hauptveranstaltungen von Weltmarktführer World Wrestling Entertainment (WWE) kommen bis zu 90.000 Zuschauer in die Arenen. 

Weitgehend unbekannt ist, daß es auch in Deutschland eine sehr aktive Szene gibt, die mittlerweile drittgrößte der Welt. Natürlich nicht in der Größenordnung wie in den USA, doch vergeht inzwischen kaum ein Wochenende, an dem es nicht quer durch das Land verteilt ein oder zwei Shows gibt. Weit über zehn Promotions locken dabei bis zu 1.000 Zuschauer in die Hallen. 

Die meisten der mehr als 100 aktiven Wrestler machen dies aus reiner Leidenschaft für diesen Sport. Denn von Jahresgehältern von bis zu fünf Millionen Dollar, wie in den USA, ist man in Deutschland weit entfernt. Die Topstars hierzulande oder auch die sogenannten „Fly ins“ aus den USA erhalten schon mal eine vierstellige Summe – doch das ist nach wie vor die Ausnahme. 

So können nur die wenigsten deutschen oder österreichischen Wrestler alleine vom Catchen leben; die meisten haben noch einen Beruf, wobei es inzwischen auch einige geschafft haben, zu Shows im Ausland eingeladen zu werden, wo der Verdienst deutlich höher ist, wie etwa die derzeit bekanntesten deutschen Wrestler John Klinger und Axel Tischer. Und einige wenige schafften es sogar bis in die WWE mit sechsstelligen Jahresgagen.

Wie es für den Großteil der deutschen Wrestler aussieht, zeigt die hervorragende Dokumentation des Hessischen Rundfunks „Bastards“, deren zwölf Folgen in der ARD-Mediathek zu sehen sind. Dabei steht das Leben des deutsch-iranischen Duos Maggot (Amir Wittkamp) und Prince Ahura (Aman Khederzadeh) abseits des Rings im Mittelpunkt. Maggot steht laut der ARD-Doku seit circa zehn Jahren im Ring. Er habe im Alter von 15 Jahren mit dem Training angefangen und hoffe, eines Tages vom Wrestling leben zu können. Aktuell finanziere er sich durch Aushilfsjobs. Prince Ahura betreibt  den Sport seit fünf Jahren, studiert und arbeitet nebenberuflich in einer Design-Agentur.

Deutsche Wrestler müssen sich nicht vor US-Kollegen verstecken

Anders als von vielen gedacht, ist Wrestling eine sehr anspruchsvolle Unterhaltungsform: Die „Kämpfer“ müssen austrainierte Athleten, Schauspieler und Stuntmen in einer Person sein. Bei einer Live-Show kann schließlich nichts geschnitten werden, und der Showanteil ist inzwischen sehr groß. 

In Deutschland beherrschen zwei Ligen den Markt: die German Wrestling Federation (GWF), die seit 1995 vor allem in Berlin veranstaltet; vor und jetzt wieder nach Corona einmal im Monat in der Festhalle Kreuzberg. Und vor allem Westside Extreme Wrestling (wXw) aus Essen, die mehrfach im Monat Shows veranstaltet. 

Die wXw hat sich auch international einen hervorragenden Ruf mit Einladungen für eigene Veranstaltungen bis in die USA erarbeitet. Wie auch die anderen führenden Promotions, wie etwa Power of Wrestling (PoW) in Kassel oder Independent Pro Wrestling (IPW) im norddeutschen Tornesch, haben auch GWF und wXw ausgezeichnete Wrestlingschulen. 

Mittlerweile gibt es auch viele weibliche Wrestler und hat Jazzy Gabert vor wenigen Wochen in Balingen als erste Frau überhaupt eine eigene Show veranstaltet. „Von den Leistungen und der Leidenschaft her brauchen sich die deutschen Wrestler nicht vor ihren US-Kollegen verstecken, nur leider fehlt in Deutschland noch die breite Akzeptanz dieser Unterhaltungsform“, sagt dann auch der Chefredakteur des einzigen deutschen Magazins, Power-Wrestling, Wolfgang Stach.  

Die GWF hat eine Besonderheit: Die Gründer Ahmed und Hussen Chaer stammen aus dem Libanon, wuchsen in einer gefährlichen Ecke in Berlin-Kreuzberg auf und durchlebten eine nicht gerade angenehme Jugend. Das Wrestling war und ist für sie mehr als „nur“ ein Sport, vielmehr haben sie mit dem Aufbau der GWF viele Jugendliche gleich welcher Nationalität von der Straße geholt.

 Auch Amazon wurde auf sie aufmerksam, und gemeinsam wurde vor wenigen Wochen das Hörbuch „Hochgekämpft – Kampfgeist über Mauern hinweg“ veröffentlicht (gesprochen von Rapper Eko Fresh), in dem das Leben der beiden geschildert wird. Es sprang sofort in die Spitzengruppe der entsprechenden Bestsellerlisten.

 www.power-wrestling.de