© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/22 / 08. April 2022

Erneut herrscht Unklarheit
Hotspot-Regelung: In Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern gilt weiterhin Maskenpflicht / FDP und AfD wollen klagen
Björn Harms

Da ist das neue Infektionsschutzgesetz nur wenige Tage alt und schon streiten sich zwei Minister darüber, was denn nun eigentlich mit den sogenannten „Hotspot-Regelungen“ gemeint ist. Es sei nicht zulässig, größere Gebiete als Hotspots zu deklarieren, heißt es in einem Gutachten des Bundesjustizministeriums unter Marco Buschmann (FDP). Doch, entgegnet Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), und fordert die Bundesländer auf, sich als solche zu deklarieren. 

Am 2. April trat nach einer Übergangsphase überall in Deutschland das neue Infektionsschutzgesetz endgültig in Kraft. Nun gibt es keine rechtliche Grundlage mehr für weitreichende Corona-Maßnahmen. Wäre da nicht die ominöse Hotspot-Regelung, die eine Beibehaltung der Maskenpflicht und strenge Zugangsregulierungen ermöglicht. In Hamburg griff diese Maßnahme am Samstag, nachdem die Bürgerschaft am vergangenen Mittwoch einen entsprechender Antrag der rot-grünen Regierungsmehrheit mit Unterstützung der Linken angenommen hatte. CDU, AfD und FDP stimmten dagegen. Trotz parteiinterner Kritik im Vorfeld bekam der Hamburger FDP-Vorsitzende Michael Kruse beim Landesparteitag am Wochenende Unterstützung für seine Ankündigung, gegen die Hotspot-Regel zu klagen. Die AfD will ebenfalls rechtlich dagegen vorgehen. Wegen der juristischen Unsicherheit hatte wohl auch die CDU, die der Hotspot-Regelung ursprünglich zustimmen wollte, kalte Füße bekommen. Fraktionschef Dennis Thering warf der Bundesregierung vor, die Länder mit einem handwerklich schlecht gemachten Infektionsschutzgesetz „sträflich im Stich gelassen“ zu haben. „Für das Chaos, das ihre Bundesregierung anrichtet, wollen wir nicht in die Verantwortung genommen werden, das ist ihre Verantwortung, das ist die Verantwortung von Grünen und SPD.“

„Es ist absurd“, bemerkte der Hamburger AfD-Fraktionsvize Alexander Wolf im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. „Hamburg hat neben Berlin die niedrigste Hospitalisierungsrate aller Bundesländer.“ Es sei nicht nachzuvollziehen, weshalb Tschentscher – der in der Pandemie bereits mit falschen Daten auf sich aufmerksam gemacht hatte – „seinen überscharfen und freiheitseinschränkenden Kurs“ weiterfahre. 

Doch wann ist eine Corona-Lage überhaupt brenzlig? Wann greift die Hotspot-Regelung? Das Gesetz spricht von einer „konkret zu benennenden Gebietskörperschaft“, in der „die konkrete Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage besteht“. Dazu muß entweder eine Virusvariante festgestellt werden, die eine „signifikant höhere Pathogenität“ aufweist. Oder es droht „eine Überlastung der Krankenhauskapazitäten“ aufgrund einer „besonders hohen Anzahl von Neuinfektionen oder eines besonders starken Anstiegs an Neuinfektionen“. Wobei laut Gutachten des Justizministeriums eine Überlastung der lokalen Krankenhauskapazitäten noch lange kein Grund ist, einen Hotspot auszurufen, da eine bloße Unterschreitung etwa der Personaluntergrenzen nicht ausreiche. Zunächst müsse geprüft werden, ob die Patienten nicht in Nachbarregionen behandelt werden könnten. 

In Mecklenburg-Vorpommern hatte das Parlament bereits wenige Tage zuvor alle Landkreise – unterm Strich also das ganze Land – zu Hotspots erklärt. Ganz gleich also, wie unterschiedlich die Situation in den einzelnen Krankenhäusern ist. In Innenbereichen gilt damit wie in Hamburg weiterhin die Maskenpflicht. Beim Frisör, in Restaurants oder Cafés bleibt es in Mecklenburg-Vorpommern bis zum 27. April auch bei der 3G-Regel. 

Die Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD)verteidigte am Montag die Entscheidung der Landesregierung: Zwar sei es „sehr schwierig“, die Situation „rechtssicher auszugestalten“. Doch viele Krankenhäuser seien bereits überlastet oder kurz davor. Laut Divi-Intensivregister werden in dem Bundesland derzeit 77 Patienten aufgrund einer Corona-Erkrankung intensivmedizinisch behandelt (Stand: 5. April). Der Anteil an den Intensivpatienten beträgt damit rund 13 Prozent. Knapp 17 Prozent der Intensivbetten sind nicht belegt.

Karl Lauterbach bedankte sich am Montag nochmals bei der Landeschefin Manuela Schwesig „für die Umsetzung der Hotspot-Regel“. Erneut appellierte er: „Auch in anderen Ländern sollte diese geprüft und umgesetzt werden, wo die Fallzahlen die Gesundheitsversorgung bedrohen.“ Die Gerichte jedenfalls werden sich auf die nächsten Klagewellen einstellen müssen.