© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/22 / 08. April 2022

Eine „Übermacht“ besiegt
Ungarn: Viktor Orbáns überraschender Wahlerfolg macht Brüssel sprachlos
Filip Gaspar

Ganz Brüssel und Europa schauten letzten Sonntag abend gebannt auf den Ausgang der ungarischen Wahlen nach Budapest –  und trauten ihren Augen nicht, denn Viktor Orbán ist nicht nur die Wiederwahl gelungen, sondern er ließ mit 53 Prozent der Stimmen (135 Sitze) die Opposition in einer Schockstarre zurück und kann sich weiterhin auf eine Zweidtrittelmehrheit im Parlament stützen. „Wir haben einen großen Sieg errungen – einen Sieg, der so groß ist, daß man ihn vom Mond aus sehen kann, sicherlich auch von Brüssel aus“, rief Orbán noch am Sonntag abend seinen jubelnden Anhängern zu und dankte ihnen dafür, daß sie  ihn und seine Regierungskoalition aus Fidesz und KDNP bei diesem „großen Sieg“ unterstützt hatten.

Visegrád-Kollegen in Prag und Warschau gratulieren Orbán

Seine Regierung werde weiterhin alles tun, um das in sie gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen. „Je größer der Sieg, desto größer die Notwendigkeit der Bescheidenheit, und seien wir ehrlich, heute abend gibt es Grund zur Bescheidenheit“, betonte der Premier und unterstrich: „Wir haben 2010 unter dem alten Wahlsystem gewonnen, wir haben 2014 gewonnen, als wir einzeln aufgerufen wurden. Wir haben 2018 gewonnen, als es eine Teilkoalition gab, und 2022, als sich alle gegen uns verbündet haben“, sagte Orbán und fügte hinzu: „Nur Gott weiß, wie wir in einer Zeit, in der sie sich gegen uns verbünden, am meisten gewinnen können.“

Die von Brüssel protegierte vereinigte Opposition aus sechs Parteien unter ihrem Spitzenkandidaten Péter Márki-Zay war weit entfernt von einem Kopf-an-Kopf-Rennen, wie es prognostiziert war. Sie erhielten 35 Prozent der Stimmen und bekommen damit 56 Sitze im Parlament. Die selbst für ungarische Verhältnisse rechte Partei „Mi Hazánk“ erreichte 6,2 Prozent (7 Sitze). Ein Vertreter der deutschen Minderheit bekommt auch einen Sitz. 

„Ich bin platt“, gestand Márki-Zay in der Wahlnacht ein. Er akzeptierte den Wahlsieg, welcher „außer Frage“ stehe. Es sei ein ungleicher und von vornherein chancenloser Kampf gewesen, mit „unfairen Bedingungen“, die das Bündnis dennoch hingenommen habe. Die alles beherrschende Propaganda des Regierungsapparates habe den Ausschlag gegeben. „Unser Gewissen ist rein, wir haben auch in den letzten vier Jahren alles gegeben“, zitierte die Budapester Zeitung den Wahlverlierer. Als ob das alles noch nicht genug wäre, verlor Márki-Zay in seiner Heimatstadt Hódmezővásárhely sein Direktmandat an den früheren Fidesz-Kanzleramtsminister János Lázár.

Dabei bekam der Wahlkampf nach dem Angriffskrieg von Rußland auf die Ukraine einen neuen Verlauf. Orbáns Nähe zu Putin drohte ihm zum Verhängnis zu werden. Er weigerte sich, Waffenlieferungen an die Ukraine durch Ungarn laufen zu lassen und auch sich vom russischen Gas loszusagen. Ungarns Bereitschaft, Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen, wurde unter dem Vorwand kritisiert, daß er dies 2015 noch verweigert hätte. Dabei hat Ungarn über 430.000 Flüchtlingen geholfen, und in der Ukraine lebt auch eine große ungarische Minderheit, an deren Wohlwollen Orbán auch gedacht haben wird. 

Zuletzt wendeten sich sogar seine Visegrád -Verbündeten von ihm. Das ursprünglich für den 30. und 31. März in Budapest anberaumte Treffen der Verteidigungsminister von Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei wurde abgesagt. Polen und Tschechien wollten mit diesem Schritt gegen die Ukraine-Politik von Orbán protestieren. Dennoch  ließen es sich Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sowie der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala und Staatspräsident Miloš Zeman nicht nehmen, Orbán zur Wiederwahl  zu gratulieren. 

Während sich Fiala laut Radio Prag International davon überzeugt zeigte, daß sich Ungarn nun aktiver an einer „Lösung für die russische Aggression in der Ukraine“ beteiligen werde, betonte Zeman, daß sich die Beziehungen zwischen Tschechien und Ungarn „auf einem hervorragenden Niveau“ bewegen würden. Seiner Ansicht nach sollte die Zusammenarbeit im Rahmen der Visegrád-Gruppe weiter Priorität haben.

Kurz nach der Wahl geht die EU-Kommission gegen Ungarn vor

Eine der ersten Gratulanten war die französische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen, und Außenminister Péter Szijjártó bedankte sich für die Glückwünsche seiner türkischen und chinesischen Amtskollegen. Brüssel sparte sich Glückwünsche, erklärte stattdessen am Dienstag, daß sich Ungarn wegen möglicher Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit als erstes Land einem Verfahren zur Kürzung von EU-Mitteln stellen müsse. Lediglich der belgische linksliberale Guy Verhofstadt, hatte am Montag  entsetzt getwittert: „Haß siegt über Hoffnung auf eine freie, aber unfaire Wahl … Ein dunkler Tag für die liberale Demokratie, für Ungarn und die EU in einer gefährlichen Zeit.“

„Dieser Sieg wird uns vielleicht bis zum Ende unseres Lebens auch aus dem Grund denkwürdig bleiben, weil wir jetzt gegen die größte Übermacht kämpfen mußten“, schrieb Orbán seinen Kritikern ins Stammbuch und betonte: „Die Linke hier zu Hause, die internationale Linke drumherum, die Brüsseler Bürokraten, alles Geld und alle Organisationen des Soros-Imperiums, die internationalen Mainstream-Medien und am Ende auch noch der ukrainische Präsident. So viele Gegner hatten wir auf einmal noch nie. Doch vergebens das viele Geld und vergeblich die Übermacht, wenn wir zusammenhalten, kann man uns nicht aufhalten.“

 Meinungsbeitrag Seite 2

Foto: Viktor Orbán: Weder das Geld von Soros noch der Druck der Brüsseler Eurokraten „können uns aufhalten“