© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/22 / 08. April 2022

Inflationsschutz im Portfolio
Vermögensabsicherung: Aktien scheinen sicherer als festverzinsliche Anleihen und Immobilien
Thomas Kirchner

Widersprüchliche Signale senden in diesen Tagen die Aktien- und Rentenmärkte. US-Aktien haben das erste Quartal mit einem Minus von 5,2 Prozent abgeschlossen, der Dax mit minus zehn Prozent. Beide Märkte haben ihre Jahrestiefststände Anfang März bereits hinter sich gelassen. Die unterschiedliche Erholung liegt weniger an Putins Krieg direkt, sondern an den Auswirkungen der seitdem beschlossenen Sanktionen, die hiesige Unternehmen jetzt schon härter treffen als die Konkurrenz in Übersee. Russische Aktien liefen mit minus 29,5 Prozent im Quartal nicht so schlecht, wie man erwarten könnte.

Problematisch sieht es in den Rentenmärkten aus. Die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen lagen Ende März niedriger als die für zweijährige. Üblich wäre: mit der Laufzeit steigen auch die Renditen. Eine solche Umkehrung der Verhältnisse deutet auf eine kommende Rezession hin. Das war zumindest bei sechs der sieben Umkehrungen seit 1978 der Fall, in denen Rezessionen mit einer durchschnittlichen Verzögerung von 16 Monaten auftraten. In diesem Zeitraum legten Aktien noch durchschnittlich elf Prozent zu und sanken erst in der Rezession.

Schon die Ankündigung der Fed von Zinserhöhungen in diesem Jahr hat Auswirkungen: Hypothekenzinsen sind vom Tiefststand im März 2021 von 2,65 auf derzeit 4,89 Prozent gestiegen, obwohl Wohnimmobilien weiter an Wert gewonnen haben. Deren Preise folgen Zinsen erst mit vier bis sieben Monaten Verzögerung. US-Hypothekenanleihen reflektieren Rezessionsängste: seit Januar sind ihre Kurse um sechs Prozentpunkte gefallen. Zwar läuft der US-Arbeitsmarkt auf Hochtouren: die Arbeitslosigkeit sank zuletzt auf 3,6 Prozent, ein Wert, den Deutschland seit Herbst 1980 nicht mehr erreicht hat. Doch höhere Preise für so ziemlich alles lasten auf den Portemonnaies der Verbraucher. Goldman Sachs rechnet mit 38 Prozent Wahrscheinlichkeit mit einer Rezession in der zweiten Jahreshälfte. Europa hat die gleichen Probleme, nur potenziert durch noch höhere Energiepreise und möglicherweise bald schon rationierte Energie. Droht in den USA nur eine konjunkturelle Rezession, könnte eine weitere Verschlimmerung der Energiekrise hierzulande gravierende langfristige Folgen haben, wenn Industrie abwandert oder insolvent wird. Alles deutet auf eine Stagflation hin. Wie also investieren in einem so unsicheren Umfeld?

International zu diversifizieren ist heute wichtiger denn je. Schon in der Vergangenheit sind deutsche Anleger mit globalen Portfolios besser gefahren als mit rein deutschen. Wer am 31. März 1992 in den S&P 500 Index investiert hat, dessen Depot in Euro ist heute, einschließlich Wechselkursschwankungen, 2,8mal so groß wie bei einer gleichen Anlage im Dax. Der jährliche Renditeunterschied beträgt zwar nur ein paar Prozentpunkte – doch über drei Jahrzehnte summiert sich das. Amerikanische Unternehmen sind teurer bewertet als europäische, doch zu Recht, wie die langfristigen Renditen belegen.

Die erfolgreichsten Anlagen waren Rohstoff- und Energiewerte

International zu diversifizieren heißt aber heute, nicht nur über den Atlantik zu schauen. Im Pazifikraum ist der chinesische Markt attraktiv, nachdem seit November 2020 chinesische Technologieaktien wie Alibaba unter Regulierungsdruck litten und zwei Drittel ihres Wertes verloren haben. Inzwischen zeichnet sich aber eine Einigung zwischen der US-Börsennotierung und Chinas Behörden ab, die es den chinesischen Unternehmen erlauben wird, die strengen US-Prüfungsvorschriften zu erfüllen. Auch in China besteht kein Interesse, mit Blick auf den KP-Kongreß im Herbst weiter Börsenturbulenzen zu provozieren.

Vizepremier Liu He kündigte Ende März ein weniger strenges Vorgehen der Behörden an, woraufhin manche Internetwerte um die Hälfte zulegten. Da die chinesische Zentralbank des Immobiliensektors wegen weiter eine lockere Geldpolitik führen wird, dürfte der chinesische Aktienmarkt in diesem Jahr gut laufen. Ein Risiko ist hingegen der Yen, der in den letzten Monaten wegen der lockeren japanischen Geldpolitik fast zehn Prozent Wertverlust erlitt: beim letzten Yen-Verfall 2015 reagierte Peking mit einer Abwertung des Yuan.

Betongold erwies sich in den letzten zwei Jahrzehnten als sichere Anlage, doch kurzfristig auf Sicht von zwei bis fünf Jahren dürften Immobilien unter steigenden Zinsen leiden. Aus den USA wird bereits berichtet, daß sich manche Immobilienprojekte angesichts der gestiegenen Zinsen nicht mehr rechnen. Auch wenn einzelne Immobilienaktien bereits schwach sind, werden sie auf längere Sicht als Inflationsschutz im Portfolio dienen. Anleger sollten aber zunächst Immobilienaktien mit zu hohen Schuldenquoten oder viel Einzelhandelsflächen meiden. Schulden werden zwar langfristig von der Inflation entwertet, kurzfristig kann es bei steigenden Zinsen aber zu Liquiditätsengpässen kommen.

Unter den erfolgreichsten Anlagen der letzten zwei Jahre sind Rohstoff- und Energiewerte. Schon vor dem Ukraine-Krieg zeichnete sich ein Förderdefizit bei steigender Nachfrage ab; die ohnehin schon gravierende Lage wurde durch den Krieg noch verschärft. Aber auch bei plötzlichem Frieden werden Energiewerte weiterhin Chancen haben. Schon vor Ende des Jahres wird die Nachfrage erstmals die weltweit verfügbaren Förderkapazitäten übersteigen. Im Falle einer Rezession bleibt das Problem bestehen, könnte sich verzögern.

Grundsätzlich gilt: von Modetrends sollte man Abstand halten. Flüssiggastanker sind neuerdings in Mode, doch Reedereien sind nicht nur konjunkturabhängig, sondern folgen zusätzlich einem Zyklus von Produktion und Verschrottung, der sich nur Insidern erschließt. Zentralbanken bewegen Märkte. Stellt sich eine Rezession ein, wird es mit Zinserhöhungen bald wieder vorbei sein. Inflation wird dann ungestört ihr Unwesen treiben. Anleger sollten deshalb Aktien festverzinslichen Anleihen vorziehen. Für spekulative Anleger gibt es natürlich Ausnahmen: Anleihen von Gazprom, der russischen Eisenbahn RŽD oder von ukrainischen Emittenten. Hier locken theoretisch zweistellige Renditen – wenn denn tatsächlich gezahlt wird.

Offizielle Informationen über US-Anleihen:

 www.treasurydirect.gov

 fiscaldata.treasury.gov