© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/22 / 08. April 2022

CD-Kritik: Franz Schubert – Alexandre Tharaud
Ein Romantisierender
Jens Knorr

Franz Schuberts im Sommer und Herbst 1827 komponierte Gruppe von vier Impromptus D 899, Op. 90, von denen Verleger Haslinger zu Lebzeiten des Komponisten nur die ersten zwei veröffentlicht hatte, haben sich ebenso wie die sechs Moments musicaux D 790, Op. 94, 1828 gedruckt erschienen, nach und nach in Hausmusik, Unterricht und Konzert durchgesetzt. Neben der Bühnenmusik zu dem Schauspiel „Rosamunde“ sind sie zu den bekanntesten und beliebtesten Stücken des Komponisten aufgerückt.

Der französische Pianist Alexandre Tharaud hat sich Teile aus der Bühnenmusik herausgebrochen, für Klavier transkribiert und mit Witz und Ironie, Charme und Poesie, quasi als heiteres Mittelstück, eingespielt. Da sind die umschließenden Impromptus und Moments musicaux von schwererem Kaliber. Heben andre Interpreten den Klassiker an der Schwelle zur Romantik hervor, so legt Tharaud den Klassiker als Romantiker aus und sich zurecht. Läßt andrer zuchtvolles Spiel befremdende Klangfiguren und Einsprengsel aus dem musikalischen Fluß unabweislich hervortreten, so deckt Tharauds geradezu launenhaftes Spiel mit geheimnisheischend verhangenem Ton, einem gewissen Überschuß an Drama, nicht immer schlüssigen und durchgehaltenen Tempi, diese eher zu. Er bringt die Noten nicht zu Klarheit, er trübt sie ein.

Während andre am Klavier Liebe singen wollten, ward sie ihnen zum Schmerz. Tharaud will Schmerz singen, aber er wird ihm nicht zur Liebe. Schmerz und Liebe zerteilen ihn nicht, sie gehen ihm diesmal glatt durch.

Franz Schubert Impromptus, Moments musicaux Erato 2021 www.alexandretharaud.com www.warnerclassics.com