© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/22 / 08. April 2022

Polens Furcht vor der Brüsseler Fremdbestimmung
Ausländische Akteure
(dg)

Im Juni 2003 stimmten 77 Prozent der polnischen Wähler für den EU-Beitritt ihres Landes. In den Jahren danach, als vor allem Polens 1,3 Millionen Landwirte von Brüsseler Subventionen profitierten, stieg die Zahl der EU-Befürworter sogar auf 90 Prozent. Noch im Eurobarometer vom Frühjahr 2021 gaben 81 Prozent der Befragten an, sich voll und ganz oder zumindest teilweise als EU-Bürger zu fühlen. Für einen nach britischem Vorbild zu vollziehenden EU-Ausstieg („Polexit“) fände die regierende „Partei Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) also keinen Rückhalt, ist sich die Politologin Agnieszka Łada-Konefał (Deutsches Polen-Institut Darmstadt) sicher. Doch trotz ihres weiterhin deutlich über dem EU-Durchschnitt liegenden Vertrauens in Brüssel haben die Wähler bislang zweimal der europaskeptischen PiS zur Macht verholfen. Łada-Konefał erklärt diesen scheinbaren Widerspruch „historisch“ (Mittelweg 36, 1/2022). Seit den Teilungen im 18. und 19. Jahrhundert ziehe sich ein von Ohnmachtserfahrungen genährtes Mißtrauen gegenüber „ausländischen Akteuren“ wie ein roter Faden durch die polnische Geschichte. Das heute einer EU entgegenschlage, die nicht das „Europa der Vaterländer“ repräsentiere, dem man 2003 beizutreten wünschte, sondern für Fremdbestimmung stehe, die die nationale Homogenität Polens bedrohe. 


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