© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/22 / 08. April 2022

Umwelt
Grüne Kippelemente
Volker Kempf

Was bewegt die Deutschen zur Wahl einer sich „grün“ nennenden Partei? Natur- und Artenschutz? Mehr Ressourcenschonung? Ein Herz für Tiere? Eher nicht, es bedeute, „daß die Saarländer wieder eine Stimme „für echten Klimaschutz, für erneuerbare Energien, für zukunftsfähige Arbeitsplätze im Landtag wollen“, erklärte die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang. Ganz so sollte es nicht kommen, 23 Stimmen fehlten am 27. März beim Sprung über die Fünfprozenthürde. Denn einigen war dies nicht „grün“ genug. Aus Abtrünnigen der Grünen, der Linken und Armin König, dem langjährigen CDU-Bürgermeister von Illingen, ging „Bunt.saar – sozial-ökologische Liste“ hervor, die 1,4 Prozent des erhofften Wählerpotentials aufsog. Aber fehlt da nicht noch immer etwas, um „urgrüne“ Themen abzudecken? Das haben sich über 10.000 Wähler im Saarland gefragt und der Tierschutzpartei 2,3 Prozent beschert.

Bei großer Parteienvielfalt reicht es nicht, sich nur auf den Klimaschutz zu konzentrieren.

Rechnerisch würde das für ein Mandat im 51köpfigen Landtag reichen. Und es wäre durchaus interessant gewesen zu sehen, wie sich die 1993 gegründete Partei bei „harten“ Themen wie dem Schächten schlägt oder bei der Windkraft, für die sie in Kommunalparlamenten auch schon einmal Vögel zu opfern bereit sind. Eines steht aber fest: Dem Wachstum der Grünen hat die zunehmende Parteienvielfalt Grenzen gesetzt. Vor allem, wenn man die 1982 gegründete Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) noch bedenkt, die inzwischen – um etwas Familienpolitik flankiert – ebenfalls vor allem „grüne“ Klimaschutzpolitik betreibt. Das reichte im Saarland zwar nur für 614 Stimmen, aber die wären genug gewesen, um die Grünen in den Landtag zu bringen. Und die einst konservative ÖDP wird damit nach 30 Jahren ihres Bestehens zu einem Lehrstück für das, was Klimaforscher heute ein Kippelement nennen. Kleine Ursache, große Wirkung. Auch das ist Ökologie.