© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/22 / 15. April 2022

Beauftragter für Aussiedlerfragen entlassen
Die Entfremdung wird sichtbar
Christian Vollradt

Eine SPD-Frau entläßt einen CSU-Mann, um ihn durch eine SPD-Frau zu ersetzen. Ende vergangener Woche sickerte durch, daß Bundes-innenministerin Nancy Faeser den Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Bernd Fabritius, von seinen Aufgaben entbindet und durch eine junge Abgeordnete aus der eigenen SPD-Fraktion ersetzt. In normalen Zeiten wäre das bloß die x-te Auflage des alten Farbenspiels: neue Regierung, neue Postenvergabe, natürlich gemäß Parteibuch. Aber wir leben derzeit nicht in normalen Zeiten. 

Wegen Rußlands Krieg gegen die Ukraine nehmen auch hierzulande die Spannungen innerhalb der Gemeinschaft der aus den Staaten der früheren Sowjetunion stammenden Deutschen zu. Der Bundesbeauftragte ist der wichtigste Ansprechpartner dieser Leute in der Regierung, er ist ihr Sprachrohr, Interessenvertreter, Seismograph in Krisenzeiten. Wann, wenn nicht jetzt, wären Erfahrung und Kompetenz, gute Vernetzung und Kontinuität wichtiger als parteipolitischer Proporz? Der Aufschrei der Union über die Entmachtung eines der Ihren ist so nachvollziehbar wie wohlfeil. Denn bei aller berechtigten Empörung über dieses Manöver der SPD-Innenministerin sollten sich die C-Parteien auch einmal ganz selbstkritisch fragen, warum ihre einst guten Drähte zu den Deutschen aus Rußland und anderen Ex-Sowjetstaaten so eingerostet sind – und welchen Anteil das an der jetzt sichtbaren, tiefen Entfremdung hat.