© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/22 / 15. April 2022

Präsidentschaftswahlen in Frankreich
Die Gesellschaft ist tief gespalten
Friedrich Thorsten Müller

Bei Wahlen zeigt sich vor allem auch der Zusammenhalt einer Gesellschaft. Um diesen ist es in Frankreich nicht mehr gut bestellt, wenn man sich die Ergebnisse der ersten Runde der Präsidentschaftswahl anschaut. Die Wahlbeteiligung ist im Vergleich zu 2017 von über drei Viertel auf weniger als zwei Drittel eingebrochen. Nichtwähler erwarten häufig nichts mehr von der Politik. 

Aber auch wer und wer von wem gewählt wurde, spiegelt die tiefe Spaltung wider. Sozial Schwache, Arbeiter, ländliche Bevölkerung und viele Erwerbstätige stimmten häufig für die „Nationalistin“ Marine Le Pen. Großstädter, leitende Angestellte und Rentner machten ihr Kreuz dagegen beim „Globalisten“ Emmanuel Macron. 

Wie polarisiert das Land ist, kann man vor allem daran erkennen, daß weit mehr als die Hälfte der Stimmen für Kandidaten abgegeben wurden, die in Deutschland als links- oder rechtsradikal gelten würden. Die Schwesterparteien von CDU und SPD erreichten dagegen nicht einmal die Fünf-Prozent-Schwelle für die Wahlkampfkostenerstattung. Immerhin darf Emmanuel Macron hoffen, daß ihm die bewährte anti-rechte „republikanische Front“ auch dieses Mal im zweiten Wahlgang eine Mehrheit beschert.

Für Marine Le Pen steht mit dieser dritten Teilnahme an einer Präsidentschaftswahl dagegen alles auf dem Spiel. Mit einer vierten Kandidatur ist wohl nur als Präsidentin Frankreichs zu rechnen.