© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/22 / 15. April 2022

Carlo Masala. Der unkonventionelle Politologe erklärt den Deutschen den Ukraine-Krieg, wie Drosten die Pandemie.
Geopolitik ohne Ananas
Peter Möller

Wenn Carlo Masala etwas nicht ausstehen kann, dann ist es Pizza Hawaii. Daran läßt der Politologe, der an der Universität der Bundeswehr in München Internationale Politik lehrt, keinen Zweifel. „Don’t put pineapple on me“ (Beleg mich nicht mit Ananas!), verkündet denn auch das Titelbild seines Twitter-Kontos. Doch 2021 machte er eine Ausnahme: Für eine Spende von 12.000 Euro für ein Kinder- und Jugendhospiz warf der Sohn einer Österreicherin und eines Italieners, der Ananaspizza als „Verbrechen an der italienischen Eßkultur“ betrachtet, alle kulinarischen Prinzipien über Bord und verzehrte öffentlich eine Pizza Hawaii für den guten Zweck.

Diese Geschichte ist charakteristisch für Masala, der zu den unkonventionellsten deutschen Politikwissenschaftlern zählt. Bei aller Seriosität droht er nie ins Professorale abzugleiten, sondern hat sich eine gewisse Lockerheit und den Mut zum Unernsten bewahrt. Auf Twitter zeigt er, daß er neben fachlichen Einschätzungen zur aktuellen Lage der Welt auch einem gelegentlichen Streit nicht abgeneigt ist und mitunter sogar schlecht gelaunt austeilen kann, wenn ihm jemand dumm kommt.

Immer wenn sich internationale Krisen gefährlich zuspitzen, ist Masala ein gefragter Interviewpartner für die Medien. Denn wer ihn interviewt, bekommt keine Worthülsen oder blumigen Formulierungen vorgesetzt. Seine Analysen sind präzise und stets verbindlich und wenn er mal etwas nicht weiß oder eine Situation nicht richtig einschätzen kann, dann sagt er das auch. 

Masalas regelmäßiger Podcast „Sicherheitshalber“ bringt Laien Sicherheits- und Geopolitik verständlich näher. 

Der Militär- und Sicherheitsexperte, der Ende März seinen 54. Geburtstag feierte, pflegt als Vertreter der politischen Theorie des „Neorealismus“ einen nüchternen und pragmatischen Blick auf das Weltgeschehen. In dieser vor allem in den Vereinigten Staaten einflußreichen Denkrichtung der Politikwissenschaft haben Sentimentalitäten in den Beziehungen zwischen den Staaten wenig Raum. Am Ende gehe es zwischen den Staaten, die ständig um ihre Sicherheit besorgt sind, auch heute noch immer um Machtpolitik. Und das bedeutet: Krieg ist eine realistische Möglichkeit, mit der immer zu rechnen ist und die die Politik daher stets mitdenken muß. Kein Wunder also, daß Masala seit dem Angriff Rußlands auf die Ukraine noch mehr im Rampenlicht steht und von einem Interview zum nächsten jagt.

Doch auch schon vor dem Krieg war Masala, dessen akademische Karriere zielstrebig von der Universität Köln über das Nato Defense College in Rom zur Münchner Bundeswehr-Universität führte, in der Öffentlichkeit präsent: Seit 2018 moderiert er gemeinsam mit dem Journalisten Thomas Wiegold und den Politologen Frank Sauer und Ulrike Franke den Podcast „Sicherheitshalber“, der einem breiteren Publikum Themen wie Sicherheits- und Geopolitik, aber auch Rüstung und neueste Entwicklungen in der Militärtechnik auf durchaus unterhaltsame Art näherbringt. Daß der Vielgefragte unter anderem von der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), als „Christian Drosten unter den Politikwissenschaftlern“ bezeichnet wird, ist ihm eher unangenehm. Denn „Christian Drosten hat Leben gerettet“, so Masala gegenüber der Zeit, „ich (dagegen) erkläre ja nur“.