© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/22 / 15. April 2022

Verschläft Europa den Trend?
Kryptowährungen: Weltweit sind immer mehr Regulierungsversuche auf dem Vormarsch
Björn Harms

Ausgelassene Partystimmung, hochkarätige Redner und kontroverse Debatten – alljährlich findet in Miami die größte Bitcoin-Konferenz der Welt statt, bei der es mittlerweile gute Tradition ist, vor Ort mindestens eine bahnbrechende Nachricht zu verkünden. Im vergangenen Jahr offenbarte El Salvadors Präsident Nayib Bukele seine Pläne, künftig die Kryptowährung als gesetzliches Zahlungsmittel in seinem Land einzuführen. Auch in diesem Jahr sollten die knapp 15.000 Teilnehmer nicht enttäuscht werden. Jack Mallers, Chef des Zahlungsabwicklers Strike, gab diverse Partnerschaften mit großen amerikanischen Unternehmen bekannt – darunter etwa der 

E-Commerce-Riese Shopify oder NCR Corporation, der weltweit führende Anbieter für Kassensysteme in Einzelhandel und Gastronomie. Das hochangesetzte Ziel des 28jährigen Mallers ist es, eine Vielzahl von veralteten Zahlungssystemen durch das Bitcoin-Lightning-Netzwerk zu ersetzen und damit einen einheitlichen Standard einzuführen.

Gleichzeitig wurde in vielen Diskussionen auf der Konferenz immer wieder auf einen kritischen Aspekt der Kryptowelt eingegangen: Die Regulierungsvorschriften und -gesetze, die derzeit in vielen Teilen der Welt auf den Weg gebracht werden. In den USA drohen zumindest keine harten Verbote, hatte US-Finanzministerin Janet Yellen bereits Anfang März durchblicken lassen. Am vergangenen Donnerstag erklärte sie, daß die Regulierung von Kryptowährungen „verantwortungsvolle Innovationen unterstützen und gleichzeitig die Risiken kontrollieren sollte“.

Vor allem in Europa geht jedoch die Angst um. Der Digitalverband Bitkom fürchtet, die EU könnte „seine Zukunft als Innovationstreiber im Krypto-Sektor verspielen“. Auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler zeigt sich besorgt: „Die europäische Bürokratie gibt sich alle Mühe, Europa zur Krypto-Wallachei statt zum Krypto-Valley zu machen.“

Vor zwei Wochen hatte das EU-Parlament entschieden, sogenannte Unhosted Wallets verstärkt einschränken zu wollen. Unter Wallets versteht man digitale Portemonnaies, in denen mit Hilfe eines privaten Schlüssels die eigenen Krypto-Coins aufbewahrt werden. „Unhosted“ sind diese, wenn sie nicht von einem Dienstleister verwahrt werden, zum Beispiel einer Börse oder einer Bank, sondern der einzelne seine Vermögenswerte selbst verwaltet, meist in Form eines USB-Sticks. Wer eine solche private Wallet hat, kann Transaktionen abwickeln, ohne daß eine weitere Instanz dazwischengeschaltet ist. Vor allem linke Parteien begründen ihre Regulierungswünsche nun mit der drohenden Gefahr der Geldwäsche mittels anonymer Transaktionen.

Linke Parteien wollen den Bitcoin aus Umweltgründen verbieten

Künftig soll jede Transaktion ab einem Wert von einem Euro offengelegt werden. „Nach der Logik müßte ich bei jedem Cash-Einkauf im Supermarkt meinen Ausweis vorzeigen“, wunderte sich der CDU-Europaabgeordnete Stefan Berger. „Ein Generalverdacht gegen ‘Unhosted Wallets’gleicht einem Generalverdacht gegen Bargeld.“ Auch Gunnar Beck, der für die AfD im Wirtschaftssauschuß des EU-Parlaments sitzt, ist empört. Der JUNGEN FREIHEIT berichtet er von großem Druck der internationalen Lobbygruppen: „Die ‘Financial Action Task Force und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) kamen, um die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses einzuschüchtern, indem sie demonstrierten, wie Krypto-Assets zur Geldwäsche verwendet werden könnten. Sie konnten jedoch weder eine Schätzung der Größe dieser illegalen Wirtschaft noch Beweise für konkrete kriminelle Aktivitäten liefern.“

Doch nach dem Willen von Grünen und Sozialdemokraten ist die Einschränkung der „Wallets“ nur ein erster Baustein. Mit dem Argument der Energieverschwendung und Umweltverschmutzung wollen sie den Bitcoin möglichst ganz loswerden. Viele Kryptowährungen seien „wahre Drecksschleudern“, beschwerte sich jüngst der SPD-Europaabgeordnete Joachim Schuster. Das Bitcoin-Mining müsse endlich verboten werden. 

Zu einem ersten Versuch kam es bereits: Am 14. März lehnte das EU-Parlament erst auf den letzten Metern ein Krypto-Gesetz ab, das die Verwendung von Proof-of-Work-Konsensmechanismen in der Eurozone einschränken wollte. Dies hätte ein Verbot des Bitcoin-Minings bedeutet, des Prozesses, bei dem einzelne „Schürfer“ ihre Rechenleistung (also Arbeitsleistung) zur Transaktionsverarbeitung, absicherung und synchronisierung des Netzwerks zur Verfügung stellen. Doch der Wirtschaftsausschuß stimmte mit 30 zu 23 Stimmen für die Streichung der Passage aus dem MiCA-Entwurf („Markets in Crypto Assets“), dem umfassenden Regulierungsrahmen der EU für digitale Vermögenswerte. „Das EU-Parlament will Bitcoin in der EU verbieten, obwohl das nicht geht. Das wäre fatal“, kommentierte der FDP-Politiker Schäffler.

Tatsächlich setzen die Verbotsversuche meist beim Bitcoin-Mining oder dem Handel mit Bitcoin über die Börsen an – in China etwa wurde beides untersagt –, da ein Verbot der Krytowährung selbst kaum umzusetzen ist. Natürlich lassen sich über staatliche Firewalls, wie China sie nutzt, Informationen im Internet zensieren. Das Tor-Netzwerk, im Volksmund auch als „Darknet“ bekannt, ermöglicht es jedoch, diese relativ problemlos zu umgehen. Und so könnte man überall in der Welt das Bitcoin-Netzwerk nutzen, ohne daß es innerhalb des Internets überhaupt auffallen würde.

Ganz andere Töne kommen derweil aus Großbritannien. Am vergangenen Montag kündigte die Regierung eine Reihe von Maßnahmen an, die das Vereinigte Königreich zu einem globalen Zentrum für Krypto-Technologie machen sollen. Die regulatorischen Schritte sollen helfen, daß „Unternehmen in diesem Land investieren, innovieren und expandieren können“, wie der britische Schatzkanzler Rishi Sunak im Parlament erklärte. Die Briten wollen zunächst eine Arbeitsgruppe einrichten, in der wichtige Vertreter der Regulierungsbehörden und der Industrie zusammenkommen, um die Regierung zu beraten. Laut Sunak könnten Kryptowährungen „das globale Finanzwesen revolutionieren, indem sie den Finanzhandel transparenter, effizienter und demokratischer machen und die Währung in die Hände von Menschen und nicht von Nationen legen“. Für seine Regierung sei klar: „Wenn Krypto-Technologien ein wichtiger Bestandteil der Zukunft sein werden, dann wollen wir – das Vereinigte Königreich – dabeisein, und zwar von Anfang an.“

Foto: Strike-CEO Jack Mallers auf der Bitcoin-Konferenz in Miami: Innovationen schreiten in den USA voran