© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/22 / 15. April 2022

„Gründlich sein ist Cato-Stil“
Stabwechsel in der „Cato“-Redaktion: Neuer Chefredakteur Langner plant mehr Interviews
Mathias Pellack

Herr Langner, Sie sind seit Januar der neue „Cato“-Chefredakteur, inzwischen sind zwei „Cato“-Ausgaben unter Ihrer Verantwortung erschienen. Sind in den ersten beiden Heften schon Änderungen erkennbar?

Ingo Langner: Aus dem Roman „Der Leopard“ von Giuseppe Tomasi di Lampedusa wird gern der Satz zitiert: „Alles muß sich ändern, damit es so bleiben kann, wie es ist“. In diesem Sinne möchte ich Ihre Frage so beantworten: Cato ist von meinem Vorgänger Andreas Lombard zu einem Solitär in der deutschsprachigen Medienlandschaft entwickelt worden. Das soll Cato auch bleiben. Doch weil ich zwar auch Autor und Publizist bin, aber in den letzten 40 Jahren hauptsächlich als Theaterregisseur und Filmemacher gearbeitet habe, bin ich ein Geschichtenerzähler. Meine Leitlinie ist immer die Frage: Welche Geschichte will ich erzählen? Wie fängt man an, wie hört man auf und was kommt in die Mitte?

Ist das tatsächlich so einfach übertragbar?

Langner: Ich denke schon. Natürlich kommen auch von den Cato-Autoren Themenvorschläge. Und Cato lebt von seinen großartigen Autoren. Aber auch als Chefredakteur denke ich schon beim Bestellen der Artikel an einen Gesamtzusammenhang, also an die zu erzählende Geschichte. Denn ich möchte ein Magazin machen, das einen bestimmten Geist verkörpert, und das ist ein Geist, der nicht deckungsgleich mit dem grassierenden Zeitgeist ist. Ich habe in meinem ersten Editorial noch mal die Essenz von Cato betont: „Wir sind dem Wahren, Guten und Schönen verpflichtet,“ das ist vom grassierenden Zeitgeist Lichtjahre entfernt.

Sie haben aber noch nicht gesagt, was sich in den beiden ersten Ausgaben geändert hat.

Langner: Die Prosa soll in Cato zur Regel werden. Im aktuellen Heft beginnen wir mit der Erzählung „Am langen Ende der Straße“ von ­Konstantin Fechter.

Sie haben auf die Essenz von „Cato“ hingewiesen. Wenn Sie „Cato“ in der deutschen Publizistik verorten müßten, zwischen sagen wir mal „Tichys Einblick“, das sehr politiklastig ist und „Monopol“, das vor allem den Kulturbereich abdeckt. Wo wollen Sie das Blatt sehen?

Langner: Das Erfolgsgeheimnis von Cato war bisher, daß es thematisch ausgewogen ist. Erkennbar ist das an den Cato-Rubriken. Das Inhaltsverzeichnis von Cato 3/2022 beginnt mit „Geschichte“, dann folgen „Reportage“, „Gesellschaft“, „Ideologiekritik“, „Kulturgeschichte“, „Reportage“, „Essay“, „Gedenkblatt“ „Literatur“, „Erzählung“, „Lyrik“, „Kirche“ und „Hausbesuch“, und dazwischen haben wir noch den „Brief aus Warschau“ von David Engels und „Schwarz auf Weiß“ von Karl-Peter Schwarz. Das alles finden Sie anderswo nicht, auch nicht unseren regelmäßigen Comic von Patrice Reytier.

„Cato“ wird als konservativ gesehen. Bleibt das so?

Langner: Was ist heute konservativ? Was war es gestern? Was wird morgen konservativ sein? Von „Links“ bis „Rechts“ existieren ungezählte komplexe Fraktionierungen. Das ist nicht meine Baustelle.

Wie dann?

Langner: Ich bin jüngst 71 Jahre alt geworden, und es ist mir bislang gelungen, nicht in Schubladen gesteckt zu werden, in welche auch immer. Das soll so bleiben.

Ein neuer Schwerpunkt in den beiden unter Ihrer Leitung erschienenen Ausgaben ist bereits zu erkennen: In der vergangenen Ausgabe schrieben Sie über die „neue Musik“ im 20. Jahrhundert. In der aktuellen schreibt Martin Demmler über die Komponisten Stockhausen und Boulez, und deren totalitäre Einflüsse. Was dürfen die Leser erwarten?

Langner: Unsere Leser dürfen erwarten, daß wir zukünftig nicht nur wie bisher Bücher rezensieren werden, sondern auch Musik-CDs.

Sie haben eine gute Anzahl internationaler Autoren – Antoni Libera, Bruno Binggeli, Chaim Noll, ­David Engels. Wollen Sie die internationale Seite von Cato stärken?

Langner: Über den deutschen Tellerrand hinauszublicken ist heute wichtiger denn je.

Oder wollen Sie „Cato“ stärker auf die Innenpolitik fokussieren?

Langner: Der Fokus soll die oben genannte Vielfalt bleiben.

In der aktuellen Ausgabe haben Sie zwei Beiträge zum Ukraine-Krieg, aber nichts zur innerdeutschen Impfpflicht-Debatte.

Langner: Da muß ich Sie korrigieren. In dem aktuellen Cato-Heft schreiben mit Thomas Fasbender, David Engels, Karlheinz Weißmann, Karl-Peter Schwarz gleich vier Autoren aus einer eigenen unverwechselbaren Perspektive über diesen Krieg. Und mein Editorial hat die aus dem Neuen Testament entnommene Überschrift „Liebet eure Feinde“. Allein dieser Satz ist gegenwärtig der wohl schärfste Widerspruch zu dem, was wir täglich im deutschen Mainstream zum Krieg lesen können. Und was die Impfpflicht betrifft soviel: In beiden Corona-Jahren hat sich Cato eindeutig für die grundrechtlich verbriefte Freiheit aller Deutschen und gegen den staatlich verordneten Zwang positioniert. Das vorab. Zum Cato-Stil gehört es, den Dingen auf den Grund zu gehen. Das heißt konkret, daß man die gerade im Bundestag krachend gescheiterte Impfpflicht vor dem Hintergrund sehen sollte, wie wir uns selbst sehenden Auges in Elementarteilchen einer globalen Bevölkerungsmasse transformieren lassen. So formuliert es Simon Kießling. Sein Artikel im aktuellen Heft heißt „Das nackte Leben und der universale Staat“.

Ihre Laufbahn ist weitläufig. Fürs Fernsehen hatten Sie Kanzler, Kleriker und Kolumnisten wie Helmut Schmidt, Helmut Kohl, Richard von Weizsäcker, Kardinal Meisner, Berthold Beitz, Horst ­Bredekamp, ­Michael Wolffsohn, Wolf Biermann, Peter Stein, Heiner Müller, Alice Schwarzer, Katarina Witt und Henry Maske interviewt. Wollen Sie für „Cato“ auch Interviews machen?

Langner: Ich denke ernsthaft darüber nach.

Apropos Autoren. Auf der letzten Seite der vergangenen Cato-Ausgabe steht ein Text – ein „Fundstück“ – von Günter Maschke …

Langner: Das ist schon eine seltsame Geschichte. Diese Rubrik war bisher für tote Autoren reserviert. Kurz vor der finalen Entscheidung für diesen Text habe ich noch mit Günter Maschke telefoniert. Als das Heft schon im Druck war, ist er leider verstorben. Ein großer Verlust. Auch darum beginnt die Osterausgabe mit einem weiteren Text von ­Maschke. Der Titel: „Am 4. August 1914“. Das Thema folgt dem Gedanken von Georges ­Sorel: „Europa kann sich nur im Kriege vereinigen“. Obgleich indirekt ist auch das ein Beitrag zum Krieg in der Ukraine.

Foto: Neuer Cato-Chef Ingo Langner, Jahrgang 1951, war zuvor 40 Jahre Theater- und Filmregisseur: Den Blick weiten