© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/22 / 15. April 2022

Pro Legalisierung von Cannabis
Positive Kräfte des Marktes
Lukas Steinwandter

Ridouan Taghi ist ein Schwerkrimineller, wie er im Buche steht. Bis zu seiner Festnahme 2019 galt er als gefährlichster Verbrecher der Niederlande. Seit drei Jahren muß sich der marokkanischstämmige Anführer eines der gefährlichsten Drogenkartelle Europas im größten Strafprozeß des Landes verantworten. Es geht um eine Reihe von Morden und Mordversuchen. Drogenkartell? Morde? In den Niederlanden? Ja, richtig gelesen. Und das Fundament, auf dem Männer wie Taghi ihre kriminelle Karriere aufbauten, ist die illiberale Drogenpolitik des nordwestlichen Nachbarn.

Illiberale Drogenpolitik in den Niederlanden? Ja, wiederum richtig gelesen. Die Niederlande sind in puncto Rauschmittel längst nicht so freiheitlich, wie es von hiesigen Politikern und Journalisten oft dargestellt wird. Zwar ist der Konsum von Cannabis seit Mitte der siebziger Jahre erlaubt, doch den Einkauf der sogenannten Coffeeshops, in denen Haschisch oder Marihuana angeboten werden, hat die Politik nie geregelt. Sprich: Der Konsum ist legal, die Coffeeshop-Betreiber haben aber keine Möglichkeit, Cannabis legal einzukaufen. Für die Mocro-Mafia eine riesige Goldgrube.

Wo eine Nachfrage, da auch ein Angebot. Das wußte schon Al Capone: „Ich befriedige nur die Nachfrage. Jemand muß den Durstigen Getränke geben. Warum nicht ich?“ Als die USA 1920 die Herstellung, Verbreitung und den Konsum von Alkohol unter Strafe stellten, machte das Schwerkriminelle wie Al Capone zu schwerreichen Männern.

Mehr als 100 Jahre später könnte eine deutsche Regierung nun den Schritt wagen, Cannabis zu legalisieren und Drogenkartellen den Nährboden zu entziehen. Endlich, könnte man da auch als Nicht-Konsument sagen. Denn das Cannabisverbot sorgt nicht nur für üppige Einkommen von Kriminellen, es beansprucht auch in völlig unverhältnismäßiger Weise Polizei, Staatsanwaltschaften und Justiz. Und obwohl die Ermittlungen bei Delikten gegen das Betäubungsmittelgesetz in den vergangenen Jahren stetig intensiviert wurden, wird immer mehr „gekifft“. Die Ressourcen des Staates könnten deutlich effizienter eingesetzt werden als bei Straftaten, bei denen es gar keine Opfer gibt.

Doch der kriminologische Aspekt ist nur ein Punkt von vielen, die für die Legalisierung von Cannabis sprechen. Deren Gegner, vor allem auf konservativer Seite, wenden häufig ein, der Stoff sei verunreinigt und deshalb schädlich. Doch genau dies ist eigentlich ein Argument für die Legalisierung. Wo der Markt frei ist, werden Produkte und Dienstleistungen besser und kosten weniger. Mehr Anbieter müssen mit höherer Qualität und niedrigerem Preis um die Gunst der Kunden kämpfen.

Gleichzeitig brächte die Legalisierung Arbeitsplätze und Steuereinnahmen mit sich. Sie würde Kriminelle ärmer und den Staat reicher machen. Und der Markt für Cannabis ist längst da. Auch auf dem beschaulichen Dorf in der abgelegenen Provinz wird „gekifft“. Wieso sollen die Konsumenten weiterhin in die Illegalität gedrängt werden für ein Rauschmittel, das nicht gefährlicher ist als legale Drogen wie Alkohol oder Tabak? Jährlich sterben in Deutschland rund 20.000 Menschen an Alkoholkonsum. Bestätigte Todesfälle durch Cannabiskonsum gibt es nicht.

Freilich müssen für eine funktionierende Cannabis­legalisierung einige Punkte bedacht werden. Polizeigewerkschaften haben recht, wenn sie vor neuen Risiken warnen. „Wenn demnächst auch noch Bekiffte am Straßenverkehr teilnehmen, bekommen wir ein Problem“, warnt etwa der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. Dieses Problem ließe sich aber ganz einfach lösen: Drogenrausch als Strafmilderungsgrund muß wegfallen. Auch sollten Suchttherapien privat bezahlt werden müssen. Schließlich gehört auch das zur Eigenverantwortung dazu. Und auch hierfür würde sich ein effizienter, breiter Markt bilden. Denn wo es eine Nachfrage nach Therapien gibt, werden auch neue Angebote zur Behandlung entstehen.

Apropos Behandlung: Seit 2017 können Ärzte Cannabis-Medikamente verschreiben. Studien zufolge sind sie vor allem bei Nervenschmerzen erfolgreich. Eine berauschende Wirkung haben sie aufgrund der niedrigen Dosierung nicht, und gerade bei Älteren bringen sie den Vorteil mit, daß sie Leber und Nieren nicht so stark schädigen wie andere Medikamente.

Die Ampel-Koalition sollte an ihrem Vorhaben festhalten und Cannabis legalisieren. Nur muß sie den Markt vollumfänglich freilassen, damit seine positiven Kräfte zur Geltung kommen. Keine halben Sachen wie in den Niederlanden, in denen sich die Mafia nach wie vor eine goldene Nase mit dem Anbau und Verkauf von Cannabis verdient.






Lukas Steinwandter, Jahrgang 1990, schreibt für die JUNGE FREIHEIT und die Weltwoche. Er ist Mitgründer des Tiroler Medien-Startups „UnserTirol24“ und war fünf Jahre Online- und Politikredakteur bei der JF. Mittlerweile arbeitet er für das Lebensschutzprojekt 1000plus.