© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/22 / 15. April 2022

Contra eine Cannabis-Freigabe
Abschreckende Beispiele
Mathias Pellack

Wer nicht einem kruden Libertarismus anhängt, der weiß, daß der Wegfall von Verboten allein kein prinzipeller Wunsch auch nur irgendeiner Gesellschaft sein kann. Die Goldene Bulle, die Bibel und der Codex Hammurapi regeln das Zusammenleben von Menschen und schützen den einzelnen vor Gefahren vornehmlich durch sein Gegenüber. Da, wo gute Gesetze herrschen, da blühen die Kulturen.

Das Verbot des Verkaufs von Cannabis macht da keine Ausnahme. Cannabis ist eine Droge, die im südamerikanischen Kulturraum verankert und erprobt ist. Bei uns kaum: Nur wenige Jugendliche haben Erfahrungen mit dem Konsum von Cannabis. Nur etwa 17 Prozent der Jugendlichen in Deutschland gaben in einer Umfrage 2019 an, binnen Jahresfrist die betäubenden Bestandteile der Hanfpflanze konsumiert zu haben. Nur etwas weniger als ein Drittel hatte Haschisch und Marihuana überhaupt im Leben probiert.

Es ist kein Element der hiesigen Kultur und bietet daher größere Gefahren durch Mißbrauch als übliche Rauschdrogen. Grob gesagt: Der Penner auf der Straße bietet für jeden Heranwachsenden ein abschreckendes Beispiel, weil er im Zweifelsfall nach Alkohol stinkt. Die Opfer von Cannabis sind dagegen meist unsichtbar – im schlimmsten Fall töten sie sich gar selbst.

Menschen, die durch den Wirkstoff THC paranoide Wahnvorstellungen erleiden – Imaginationen, die bei entsprechender Veranlagung sogar dauerhaft bleiben und ein normales Leben unmöglich machen –, ziehen sich zurück oder werden in eine Klinik eingewiesen. Dabei scheint nach aktuellem Stand der Wissenschaft nicht das Cannabis die alleinige Ursache zu sein, sondern der Auslöser für das Auftreten der Psychose. Bei einer Erkrankung also, die sich sonst möglicherweise vermeiden ließe, wird das Ausbruchsrisiko stark erhöht. Psychosen sind dabei nicht der einzige Effekt. Es können auch Depressionen oder andere seelische Erkrankungen auftreten – durch ein Verbot vermeidbare Erkrankungen.

Je höher der Gehalt von THC, desto gefährlicher ist die Droge für die psychische Gesundheit. Schlimm ist da in der Tat, daß der THC-Gehalt in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Doch der Glaube der Ampel-Regierung, daß eine Legalisierung dem Einhalt gebieten könnte, geht fehl. Es ist schlicht nicht nachvollziehbar, wieso „die Qualität kontrolliert“ werde, wie es im Koalitionsvertrag heißt, wenn das Verbot fiele. Auch die „Weitergabe verunreinigter Substanzen“ solle dadurch verhindert und der „Jugendschutz gewährleistet“ werden.

Der Wegfall der gesetzlichen Sanktion wird allein dazu führen, daß weiterer Regelungsbedarf entsteht. Das Argument der Befürworter einer Legalisierung ist damit auch hinfällig. Es wird nicht weniger, sondern mehr Arbeit für die Behörden geben.

Das zeigt auch das Beispiel Kanadas. Hier hat der Staat selbst nach einer Legalisierung kontrollierte Cannabisprodukte in Umlauf gebracht. Die Hoffnung bestand, daß so der Markt gesättigt werde und nur noch weniger schädliche Formen den Konsumenten erreichen könnten. Doch es ließ sich kein Rückgang des illegalen Handels verzeichnen, da einfach mehr härtere und THC-reichere Formen von Cannabis nachgefragt wurden. Auch in Deutschland sind heute schon viele synthetische und chemisch verunreinigte Cannabis-Drogen auf dem Markt. Die chemische Veränderung soll dabei die Wirkung steigern, doch gleichzeitig vermehrt sie auch die Gefahren durch unerwünschte Nebenwirkungen.

Die Niederlande bieten ein weiteres abschreckendes Beispiel mit ihrer Zwischenlösung. Hier ist Cannabis zwar nicht legalisiert, aber es darf zum Eigenbedarf an Erwachsene verkauft werden. Das Problem: Auch hier etablierten sich illegale Strukturen wie die Mafia, die den Verkauf an die Coffeeshops kontrollieren. Um ihre Interessen durchzusetzen, schrecken die Mafiosi auch nicht vor Mord zurück: Der Journalist Peter de Vries wurde vergangenes Jahr in Amsterdam auf offener Straße erschossen. Laut Schätzungen ist er nur eines von jährlich etwa 20 Mordopfern der Drogenmafia. Wenn der Staat hier nicht rigoros den wirtschaftlichen Nährboden austrocknet, wird diese Mafia bald auch in Deutschland genauso offen Angst und Schrecken verbreiten.

Zu guter Letzt spricht gegen die Legalisierung auch, daß niemand dem bewußtseinsverändernden Rauch passiv ausgesetzt sein möchte. Während Zigarettenrauch vornehmlich nur übel riecht, wenn man ihn durch in der Nähe Rauchende abbekommt, kann Marihuanarauch auch passiv „high“ machen. Das bietet eine nicht zu unterschätzende Gefahrenquelle. So könnten anders als bei Alkohol auch Menschen „berauscht“ werden, die das nicht wollen.






Mathias Pellack, Jahrgang 1986, hat Philosophie und Anthropologie in Mainz studiert. Nach einem Volontariat 2017 bei der JUNGEN FREIHEIT arbeitet er als Redakteur in den Schwerpunkten Wirtschaft und Gesundheit. Er betreut die Buchreihe JF-Edition.