© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/22 / 15. April 2022

Der verhängnisvolle Fehler der Nato-Osterweiterung
Politisches Bodybuilding
(dg)

Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock beherrschte in ihrer Rede auf der UN-Sondertagung nach Ausbruch des russisch-ukrainischen Krieges den O-Ton des Weißen Hauses schon dialektfrei: „Wenn unsere friedliche Ordnung angegriffen wird, müssen wir dieser neuen Realität ins Gesicht sehen.“ Was das für eine „friedliche Ordnung“ ist, die die „junge globale Führerin“ da beschwor, hat der über ein besseres Gedächtnis verfügende Hamburger Historiker Bernd Greiner kürzlich in seiner Bilanz der US-Politik nach dem Zweiten Weltkrieg hell ausgeleuchtet („Made in Washington“, München 2021). Im historischen Kontext betrachtet, ergibt sich für Greiner darum ein präziseres Bild des aktuellen Konflikts, der nicht einem „Alleintäter Rußland“ anzulasten sei (Blätter für deutsche und internationale Politik, 3/2022). Entgegen dem weisen Rat des großen US-Diplomaten George F. Kennan von 1997, nicht den „verhängnisvollen Fehler“ einer Nato-Osterweiterung zu machen, habe man sich in „politischem Bodybuilding“ geübt und schon 2008 eskalierend auf eine rasche Mitgliedschaft der Ukraine und sogar Georgiens gedrängt – russische Sicherheitsinteressen als Petitesse abtuend. Der Preis, den der Westen nun dafür zahle, sei ein Krieg und Rußlands engerer Schulterschluß mit China. 


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