© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/22 / 15. April 2022

Allenfalls ist der Interventionismus schuld
Der Anti-Antikapitalist Rainer Zitelmann entkräftet die Kritik am einzig funktionierenden Wirtschafts- und Gesellschaftssystem
Thorsten Polleit

Mit „Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten. Zur Kritik der Kapitalismuskritik“ hat Rainer Zitelmann ein sehr wichtiges Buch veröffentlicht, dem sogar international bereits große Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Kein Wunder: Zitelmann packt den Stier bei den Hörnern! Das sorgsam gehegte und kultivierte Feindbild der politischen Linken – die Kapitalismusfeindlichkeit – führt er mit guten Argumenten und anschaulichen Beispielen ad absurdum, enttarnt es als propagandistische Fata Morgana. In der Tat gibt es wohl keinen anderen Begriff wie „Kapitalismus“, den die politische Linke als Kampfbegriff für ihre Zwecke vereinnahmt hat, und der als Ursache für alle denkbaren Übelstände herhalten muß: Ob Finanz- und Wirtschaftskrisen, Altersarmut, Umweltbelastungen, Kriege und anderes mehr – in der Öffentlichkeit werden diese Fehlentwicklungen quasi reflexartig als Ergebnis des Kapitalismus gedeutet. Das aber ist höchst irreführend. 

Denn es gibt gar keinen Kapitalismus, weder dies- noch jenseits des Atlantiks, der als Sündenbock und Prügelknabe herhalten könnte. Was man heutzutage vorfindet, ist ein sogenannter „Interventionismus“. In vielen Volkswirtschaften gibt es zwar hier und da noch kapitalistische Elemente in Wirtschaft und Gesellschaft, aber sie sind auf seit Jahrzehnten dem Rückzug, der Staat greift auf vielfältige und weitreichende Weise in das Marktgeschehen, in Produktion und Konsum ein – durch Ge- und Verbote, Direktiven, Regularien, Steuern, Subventionen, Auftragsvergabe und anderes mehr –, und untergräbt, verfälscht und korrumpiert das wenige, was von den freien Märkten, von der kapitalistischen Ordnung noch übrig ist, setzt es zusehends außer Kraft und installiert quasi still und heimlich und nach und nach eine kollektivistische Befehls- und Lenkungswirtschaft, in der der Staat und nicht mehr der Markt das Sagen hat. Es ist daher der Interventionismus, der für viele der zu Recht angeprangerten Wirtschafts- und Gesellschaftsprobleme sorgt. Er ist der eigentlich Schuldige, nicht der Kapitalismus. 

Zitelmanns Buch gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil benennt er die zehn Irrtümer der Antikapitalisten und widerlegt sie. Im zweiten Teil skizziert er antikapitalistische Alternativen – und zwar den Sozialismus und seine Spielarten. Im dritten Teil werden Umfrageergebnisse dargestellt, wie Menschen in Deutschland, der Schweiz und Österreich zum Kapitalismus stehen, und wie ihn Menschen in Asien, Europa und den USA sehen. 

Von besonderer Wichtigkeit in diesem Buch ist zweifellos die Widerlegung der Irrtümer der Antikapitalisten. Zitelmann versteht es, die Sorgen und Vorurteile der Antikapitalisten aufzugreifen – sei es nun die befürchtete Rolle des Kapitalismus für Hunger und Armut auf der Welt, für steigende Ungleichheit, für Umweltzerstörung, für Wirtschaftskrisen, Krieg und Faschismus und anderes mehr – und sie in verständlicher Weise und mit aufschlußreichen Erläuterungen zu entkräften. 

Die Einsichten, die Zitelmann in seinem Buch den Lesern vermittelnd und verständlich erklärt, sind für das friedvolle und produktive Zusammenleben der Menschen, national wie international, von gar nicht zu überschätzender Bedeutung. Die ökonomische Theorie zeigt nämlich unumwunden, daß es letztlich nur eine dauerhaft durchführbare Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung gibt: den Kapitalismus, verstanden als die Wirtschafts- und Gesellschaftsform, in der die Produktionsmittel sich in privaten Händen befinden. Der Sozialismus und alle seine Spielarten können nicht funktionieren; und Zwischenlösungen wie zum Beispiel der Interventionismus und die „Soziale Marktwirtschaft“, wenn an ihnen unbeirrt festgehalten wird, müssen scheitern, werden im Sozialismus enden. Zwar spricht Zitelmann diese Wahrheit in seinen Ausführungen nicht derart lauthals aus, aber für Antikapitalisten reicht das, was sie von ihm zu lesen bekommen, vermutlich schon aus, um ihr Weltbild zum Einsturz zu bringen. Oder vielleicht doch nicht? Man sollte nicht ausblenden: Der Antikapitalismus und seine Wurzeln – die kollektivistische, sozialistische, marxistische Ideologie – ruhen nicht auf Vernunft, auf rationalen Gedanken. Sie entspringen vielmehr tiefsitzenden Ressentiments wie Neid und Mißgunst, gepaart mit mangelhafter ökonomischer Bildung. Deshalb vermeiden die Antikapitalisten meist auch das Argumentieren und versuchen ihre kapitalistischen Gegner zu diskreditieren, zu schmähen, mundtot zu machen. Es gibt letztlich nur einen Weg, um dem friedvollen und produktiven Zusammenleben der Menschen durch eine kapitalistische Wirtschaftsordnung zum Siegeszug zu verhelfen: den besseren Ideen zum Durchbruch zu verhelfen, die schlechten Ideen auszusortieren. Zitelmann leistet genau dazu einen Beitrag. 

Rainer ZItelmann: Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten. Zur Kritik der Kapitalismuskritik. FinanzBuch Verlag, München 2022, gebunden, 464 Seiten, 25 Euro

Foto: Antikapitalistisches Graffito: Tiefsitzende Ressentiments wie Neid und Mißgunst