© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/22 / 22. April 2022

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Mer losse d’r Jet en Kölle?
Christian Vollradt

Als Deutschland geteilt war, gab es alles doppelt: zwei Staaten, zwei Regierungen, zwei Armeen. Das ist zum Glück längst Vergangenheit, doch Restbestände einer doppelten Haushaltsführung der besonderen Art in Ost und West haben sich erhalten. Stichwort Berlin-Bonn-Gesetz, zwei Amtssitze der Ministerien, Beamten-Pendelei et cetera et cetera. Die einen sehen darin eine sinnlose Verschwendung von Steuergeldern, die anderen ein notwendiges Zugeständnis an die alte Bundesrepublik. 

Und jede neue Meldung über einen anstehenden Umzug vom Rhein an die Spree sorgt hier wie dort für recht unterschiedliche Reaktionen. Jüngstes Beispiel: die geplante Verlegung der Flugbereitschaft des Bundesverteidigungsministeriums. Die hat ihren Hauptsitz auch nach dem Regierungsumzug vor mittlerweile 23 Jahren noch immer auf dem militärischen Teil des Flughafens Köln/Bonn. Die dort stationierten etwa 1.200 Luftwaffensoldaten und rund hundert Zivilbeschäftigten schreckte der Kölner Stadt-Anzeiger kurz vor Ostern mit der Nachricht auf, mittelfristig solle der Betrieb ganz nach Berlin zum Flughafen BER umziehen. Kurz darauf bestätigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums, man wolle die Einheit komplett am Standort Schönefeld zusammenführen. Obwohl der einen Nachteil hat: Anders als in Köln/Bonn gibt es am BER ein Nachtflugverbot. In Nordrhein-Westfalen kündigten Politiker bereits Widerstand gegen die Entscheidung an.

Die Flugbereitschaft wird unterteilt in eine „graue“ und eine „weiße“ Flotte. Die grauen Flugzeuge, hauptsächlich mehrere Maschinen verschiedener Airbus-Typen dienen dem Transport von Material und (militärischem) Personal, als „MedEvac“ für Verwundete oder als Tankflugzeug. Die weiße Flotte ist die exklusive Airline für Regierungsmitglieder und andere Berechtigte, darunter auch Bundestagsabgeordnete. Weil die seit mehr als zwei Jahrzehnten in Berlin und nicht mehr in Bonn sitzen, fordert der Bund der Steuerzahler schon lange einen Umzug. Denn die im Rheinland stationierten Flugzeuge kommen meist als Leerflug nach Berlin, um dann – nach absolvierter Politikertour – wieder als Leerflug an ihren Standort zurückzufliegen. Das verursache unnötige Schadstoffemissionen und Kosten. Offiziell meint die Bundeswehr dazu, sie nutze solche „Bereitstellungsflüge“ stets zur vorgeschriebenen Aus- und Weiterbildung der Besatzungen. 

Tatsächlich ist die Flugbereitschaft gar nicht an zwei, sondern sogar an drei Standorten stationiert. Denn die drei zur weißen Flotte gehörenden „Cougar“-Hubschrauber stehen weiterhin auf dem ansonsten stillgelegten Flughafen Berlin-Tegel. Allein dafür – Miete, Betriebskosten, Bauunterhalt und Bewachung – muß der Steuerzahler zusätzlich über fünf Millionen Euro pro Jahr berappen. Denn am BER ist noch keine Infrastruktur für die Drehflügler vorhanden. Bisher hieß es seitens der Truppe, Voraussetzungen für den kompletten Umzug der Flugbereitschaft lägen „nach heutigem Stand nicht vor dem Jahr 2032 vor“.