© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/22 / 22. April 2022

Nachhaken der Woche
Qual nach der Wahl
Peter Freitag

Wir können alles – außer Hochdeutsch“ war einmal der launige Werbespruch des Landes Baden-Württemberg. Übertragen auf Berlin müßte das, so meinen Spötter durchaus realitätsnah, in „Wir können alles – außer alles“ abgewandelt werden. Im vergangenen Herbst scheiterten die Hauptstädter eindrucksvoll daran, Wahlen ordnungsgemäß abzuhalten (JF 45/21). Es fehlten Stimmzettel, es wurden auf der anderen Seite Stimmzettel an Nicht-Wahlberechtigte ausgegeben, es gab fotokopierte Stimmzettel, Wahllokale waren zeitweise geschlossen und dann wiederum auch nach 18 Uhr noch geöffnet. In der Folge mußte die Landeswahlleiterin zurücktreten, und es befassen sich sowohl der Verfassungsgerichtshof des Landes mit der Malaise als auch der Wahlprüfungsausschuß des Bundestags. Denn angefochten wurde nicht nur die Wahl des Abgeordnetenhauses, sondern auch die zum Bundestag. Nun sind die Berliner Verfassungsrichter bei ihren Untersuchungen zu einem ersten Ergebnis gekommen. Das da lautet? Sie können es – schon wieder oder immer noch – nicht! Die offiziellen Erklärungen der Verantwortlichen zu den Einsprüchen seien unzureichend, berichtete der Tagesspiegel. Deswegen ordnete das Gericht neue „Maßnahmen zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts“ an und übersandte der Landeswahlleitung neue Fragen. Außerdem muß sie – so die richterliche Anordnung – die Niederschriften aller 2.257 Wahllokale herausgeben, was zunächst verweigert worden war. Auch eine Frist setzten die höchsten Verfassungsrichter des Landes: Am 23. Mai müssen die Unterlagen vorliegen. Passenderweise am Tag des Grundgesetzes. Schon drei Tage früher findet im Bundestag eine Anhörung durch den Wahlprüfungsausschuß statt. Der habe, so ist gerüchteweise zu vernehmen, auch erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl.