© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/22 / 22. April 2022

Grüße aus … Paris
Schöne heile Welt
Katharina Puhst

Ein 30 Jahre anhaltender Traum oder drei Jahrzehnte erfolgreiches Merchandising. Mit Aufhebung der Einschränkungen infolge der Pandemie schieben sich erneut Menschenscharen durch die Drehkreuze am Eingang des Disneyland Paris. Seit seiner Eröffnung im April 1992 zieht der amerikanische Vergnügungspark jährlich weltweit mehrere Millionen Besucher an auf der Suche nach Spaß, Unterhaltung und Träumen, welche die Realität zumindest zeitweise etwas in den Hintergrund rücken.

In Anlehnung an Walter Disneys Worte „Alle Träume können wahr werden, wenn wir den Mut haben, ihnen zu folgen“ wirbt der Park mit „hier, wo Träume wahr werden“. Der Schöpfer entwickelte somit eine Maschinerie der ausgetüftelten Vermarktung seiner selbst und nebenbei den Ort, an dem die meisten Familienstreite ausbrechen. 

Im Zuge der Frauenemanzipation zeigt sich Minnie Maus zum ersten Mal im Hosenanzug.

Im Gedränge inmitten der bunten Reizüberflutung fallen die überteuerten „Made in China“-Produkte genausowenig auf wie die Tatsache, daß der Wickelraum der einzige Winkel ist, in dem keine Musikbeschallung erfolgt. Zeitweilig geht es ums nackte Überleben, wenn Besucher bereits früh in den Startlöchern stehen, um zu Einlaßbeginn einen der lila Rucksäcke mit Paillettenbesatz und Micky-Maus-Ohren zu ergattern, wie es vor einem Monat der Fall war. Vor Mittag war das anläßlich des 30jährigen Jubiläums limitierte Accessoire restlos ausverkauft.

Im Zuge der Frauenemanzipation zeigt sich Minnie zum ersten Mal im Hosenanzug und gewinnt Abstand zum rot-weiß gepunkteten Kleid. Das Unternehmen paßt sich auf diese Weise dem Zeitgeist an. Ebenso in Orlando, wo zahlreiche Angestellte des Walt Disney World Resort gegen das kürzlich verabschiedete „Don’t say gay“-Gesetz demonstrierten, das die Unterrichtung der Gender-Ideologie nicht nur in Kindergärten, sondern auch in Grundschulen untersagt. 

Wie der Republikaner und Gouverneur Floridas Ron DeSantis verkündete, gehe es darum, Kleinkinder vor der Indoktrinierung zu schützen. Daraufhin strich Micky Maus der Partei jegliche weitere Fördergelder.

Der nach Air France zweitgrößte Arbeitgeber in der Pariser Region ist eine eigene Welt, in der Unschuld, Vielfältigkeit und Toleranz herrschen. Alle nur denkbaren Nationalitäten sowie sexuelle Orientierungen finden sich in den diversen Berufsfeldern wieder. Vom Busfahrer bis hin zum Stallburschen, vom Arzt bis hin zum Barbier; alles sogenannte Cast Member, zu denen auch ich einst gehörte. 

Ein Leben innerhalb einer glücklichen Welt, aus der es einstweilen schwierig ist, wieder aufzuwachen. Vielleicht liegen gerade darin der Erfolg und die Stärke des Unternehmens.