© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/22 / 22. April 2022

Nayibs harte Hand
El Salvador: Präsident Bukele feiert seine Erfolge im Kampf gegen die Gang-Kriminalität/ Kritik aus der Opposition, Zustimmung bei Bevölkerung
Jörg Sobolewski

Es war selbst für mittelamerikanische Verhältnisse ein besonders blutiger Samstag. Am 26. März erschossen kriminelle Banden, sogenannte Pandillas oder Maras, in El Salvador mindestens 62 Menschen. Viele davon in der Öffentlichkeit, vor den Augen von Bevölkerung und Staat. Seitdem tobt in dem lateinamerikanischen Land ein unübersichtlicher Krieg zwischen verschiedenen Gangs auf der einen und der Staatsmacht auf der anderen Seite. 

Der junge Präsident des Landes, Nayib Bukele, der seit der letzten Parlamentswahl auf eine breite Mehrheit im Parlament bauen kann, hat „kriminellen Elementen“ einen umfassenden Krieg angekündigt. Nicht nur mit Schußwaffen und Handschellen, sondern auch durch weitreichende Verbote im täglichen Leben. Das Tätowieren von Zeichen, die üblicherweise im bezug zur Gangkultur stehen, steht unter Strafe. Wer Graffiti mit Gangkürzeln sprayt, riskiert ebenfalls eine Verhaftung und fünfzehn Jahre Gefängnis. 

Polizei und Militär jagen im ganzen Land jeden, der in irgendeiner Weise mit einer der Gangs in Verbindung steht. Angetrieben von Präsident Bukele, der in seinen Reden und Veröffentlichungen keinen Zweifel daran läßt, daß er in diesem Krieg auch über drastische Mittel nachdenkt. So sprach Bukele in einer Rede vor neuen Rekruten darüber, daß „Mörder und Verbrecher bei zwei Mahlzeiten am Tag im Gefängnis sitzen, während ihre Freunde weiter morden.“ Wenn dies nicht bald ende, werde man die zwei Mahlzeiten „auf null reduzieren“.

In der Öffentlichkeit erfährt Bukele durchaus Unterstützung für seine Methoden. In den sozialen Netzwerken sowie einer Reihe privater und staatlicher Fernseh- und Radiostationen wird jeder erfolgreiche Zugriff gefeiert. Als Bukele am Montag auf Twitter verkündete, man habe „12.000 Terroristen in 21 Tagen” verhaftet, fanden sich allerdings neben vielen Unterstützern auch vereinzelt Kritiker unter den Kommentaren. 

Gespräche zwischen Regierung und Banden offenbar gescheitert 

Denn während das Verbot von Gangtattoos und -graffiti noch als unumstritten gelten kann, sorgt vor allem eine interne Direktive der Polizei für Kritik. Nach Aussage der Polizeigewerkschaft des Landes gebe es eine zu erfüllende Quote. Um schnell Erfolge im Kampf gegen die kriminellen Gruppen vorweisen zu können, würden Polizisten dazu angehalten, Verhaftungen im Zweifel unter dem Verdacht des Tatbestands der Gang-Mitgliedschaft vorzunehmen. Zwei Ordnungshütern, die sich dieser Praxis verweigerten, sei eine Zwangsversetzung in einen anderen Landesteil angedroht worden. Auch das Vorgehen gegen einzelne Pandillas sei „fragwürdig“, so der Generalsekretär der Gewerkschaft, Marvin Reyes, in einem Interview mit der britischen BBC. Während gegen die Gang „MS-13“ mit voller Härte vorgegangen würde, ließen die Polizeibehörden in vielen Städten die konkurrierende „Barrio 18“ unbehelligt. 

Tatsächlich gab es in der Vergangenheit auch Versuche von Regierungsseite, mit den kriminellen Gruppierungen Abkommen zu schließen. Noch im Juli 2019 verkündete Bukele, er wolle „keinen Krieg“. Die jungen Männer sollten „aufhören mit ihrer Gewalt,und nach Hause gehen.“ Tatsächlich hatte sich die Lage vor der Eskalation im Februar und März dieses Jahres deutlich beruhigt. Im Land gehen viele davon aus, daß Gespräche zwischen Regierung und organisierter Kriminalität gescheitert sind. 

Die für ihre investigativen Reportagen bekannte oppositionelle Zeitung El Faro schrieb in einem Artikel, daß „die Verhandlungen mit der MS 13 gescheitert seien, die Kriminellen hätten nicht eingewilligt, ihre Aktivitäten im Land deutlich zu reduzieren.“ Dabei beruft sich El Faro unter anderem auch auf Informanten aus beteiligten Kreisen. Ein Affront für die Regierung Bukele, die El Faro und anderen Medien vorwirft, sich zum Sprachrohr der Kriminellen zu machen. Auch deswegen, so Bukele, habe man ein neues Gesetz zur medialen Bekämpfung der Gangs erlassen. Wer Inhalte der Kriminellen teile oder positiv konnotiere, solle künftig „stärker kontrolliert werden“. Aus Sicht der betroffenen Journalisten ein Freibrief zur Zensur. Ein „Angriff auf unsere Freiheit“, der nicht Teil einer „zivilisierten Nation“ sein könne, so El Faro in einem Statement. 

Tatsächlich beruft sich Bukele bei diesem Vorhaben auch auf die deutsche Verbotsgesetzgebung im Zusammenhang mit der Billigung nationalsozialistischer Inhalte und Symbole. Nur so habe Deutschland „den Nazismus besiegen können“.

Trotz der Kritik erfreut sich Bukele weiterhin großer Beliebtheit unter seinen Landsleuten. Eine Umfrage des Instituts Gallup vom März dieses Jahres stellt dem Präsidenten ein gutes Zeugnis aus. Über 80 Prozent der Bevölkerung würden ihren Präsidenten und seinen Kurs unterstützen, so das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage. 

Foto: San Salvador: Polizisten eskortieren mutmaßliche Bandenmitglieder in eine Haftanstalt