© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/22 / 22. April 2022

CD-Kritik: Wolfgang Amadeus Mozart – Mitridate
Teenagers Maßarbeit
Jens Knorr

Mit seiner ersten für Mailand, das unbestrittene Opernzentrum Europas, geschriebenen Oper hatte der 14jährige bewiesen, daß auch ein junger „Tedesco“ Cigna-Santis Libretto nach Racines Tragödie „Mithridate“ anständig in Musik setzen und erfolgreich aufführen kann. Der Kompositeur hatte den Orchestersatz den Musikern des Teatro Regio Ducale in die Instrumente und die Partien den Sängerstars in die Stimmritzen geschrieben, sich der Sängerhierarchie unterordnen müssen und trotzdem Eigenes erarbeiten können. Die, erst 1971 für die Bühne wiederentdeckte, Opera seria „Mitridate. Re di Ponto“ des Teenagers Wolfgang läßt ahnen, wie der Mann Mozart die Gattung noch zu letzten bedeutenden und abschließenden Opera führen würde.

Konnte sich Christophe Rousset bei seiner Einspielung 1998 auf die Erfahrung angesagter Gesangsstars verlassen, sagen 2020 Marc Minkowski und seine Musiciens du Louvre die aktuellen Stars an: Michael Spyres, Julie Fuchs, Sabine Devieilhe, Elsa Dreisig, Paul-Antoine Bénos-Djian, Adriana Bignagni Lesca und Cyrille Dubois erfüllen alle Standards souverän, wissen jedoch die Handlung nicht gefügter zu machen und sich zu einem Stückensemble nicht enger zu formieren, als die Partitur vorgibt.

Auch bei dieser Seria muß die Zuhörerschaft aus der Botschaft, moralischen Entscheidungen oder Dilemmata mit Vernunft, Tugend und gereinigtem Gefühl zu begegnen, immer nur so viel heraushören, wie sie heraushören will. Feudales Theater spielt sich in den Hinterzimmern der Logen ab.

Wolfgang Amadeus Mozart Mitridate Re di Ponto Erato 2021 www.warnerclassics.com  www.mdlg.net