© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/22 / 22. April 2022

Tofuwurst aus dem Adenauerhaus
Caroline Bosbach wirbt mit ihrem speziellen „Jamaika“-Konzept um die gesellschaftliche Mitte: Nachhaltigkeit ohne zuviel Staatsdirigismus
Martin Krüger

Die Hoffnungen und Wünsche der „Menschen in der Mitte der Gesellschaft“ will Caroline Bosbach, Tochter des bekannten CDU-Politikers und Ex-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach, in zehn Kapiteln in den Fokus nehmen und auf Mißstände und Herausforderungen hinweisen. Als Referentin einer Bundestagsabgeordneten war sie immer „mit Themen konfrontiert, die die Bürger bewegen“. Dabei tritt in ihrem Werben „für eine neue Politik der Mitte“ durchaus ihre marktliberale und wertkonservative Haltung hervor, ähnlich wie beim Co-Autor Torsten Weber, der seine Kompetenzen in den Bereichen Nachhaltigkeit und Innovations- sowie Umweltmanagement ausspielt.

Die Buchinhalte kreisen um Sorgen wie: „Wollt ihr mir mein Auto wegnehmen?!“, „Dürfen wir jetzt auch kein Fleisch mehr essen?!“ oder „Wie ich euch kenne, stellt ihr mir morgen noch ein Windrad vors Haus!“ Frage- sowie Ausrufezeichen – und das auch gern mal doppelt – kennzeichnen die Dringlichkeit der Themen. Begriffe wie „Flugscham“ erweitern schnell und mit einem Schmunzeln den Wortschatz.

Die leicht reißerischen Titel zu jedem der zehn Kapitel, die sie als szenisch eingeleitete „Folgen“ präsentiert, machen jeweils Appetit und verstärken die Aufmachung, die bewußt als Art TV-Doku geplant ist. Eine Folge beginnt am Spätnachmittag im Büro von Bosbach, sie schaut in eine Kamera, hinter ihr ein Bücherregal. Und schon beginnt der Schlagabtausch mit Bürgern und Experten. Man wird keine Sekunde des Lesens müde. Immer nur kurze Abschnitte, in denen die Protagonisten mit ihren Meinungen zu Wort kommen. Es geht hoch her und immer hin und her. Aber es wird einem nicht schwindelig. In diese Dialoge streut sie anschaulich allerlei Fakten ein, zum Beispiel, daß in Deutschland nur 60 Prozent, in der Schweiz aber 100 Prozent des Bahnnetzes elektrifiziert sind. Oder der Hinweis auf das In-vitro-Fleisch, das die israelische Firma Aleph Farms seit 2017 mit Hilfe der 3D-Bioprinting-Technologie zur „Steak“-Produktion nutzt. Hierzulande produziere selbst die traditionelle pommersche Firma Rügenwalder inzwischen mehr fleischlose als echte Wurst.

Gesellschaftliche Innovation begreift Bosbach fast grundsätzlich als „grün“, die sie nur in die „schwarze“ Politiktradition innerhalb einer Familie integrieren will, um „nachhaltig“ zu werden. Das Buch, das vor dem Zustandekommen der „Ampel“ im Herbst 2021 in den Druck ging, präsentiert sich als Werbefilm für „Jamaika“. Kritik an der grünen Politik erlaubt sie sich allenfalls am Staatsdirigismus der Bundespartei. Denn: „Wir wollen Entscheidungsfreiheit, das ist das, was unser Land auszeichnet.“ Jede „Folge“ mündet in einer Nachricht des „Radio Future“. Der fiktive Sender verkündet aus dem Jahr 2030 erstaunliche Meldungen, wie die vom „Weltglückstag“. Er berichtet vom „Modern German Dream“ und der lang zurückliegenden Corona-Krise. Und daß diese einst nur bewältigt werden konnte, weil alle Menschen an einem Strang zogen, was immer damit gemeint ist. Diese Ausblicke verlangen etwas Phantasie, sind aber Beleg für Bosbachs Haltung: „Machbar ist alles!“ 

Caroline Bosbach, Torsten Weber: Schwarz auf Grün. Was die schweigende Mehrheit umtreibt. Murmann Verlag, München 2021, gebunden, 200 Seiten, 20 Euro