© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/22 / 22. April 2022

Energiepolitische Ostereier
Robert Habeck schnürt ein halbgares Paket, das keine Versorgungssicherheit bietet
Marc Schmidt

Aus den Inhalten des Osterpakets wird  klar, daß Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Klimaschutz über Naturschutz stellt. Die wohl signifikanteste Änderung bezieht sich dabei auf die Nutzung bisher durch Naturschutz gesperrter Flächen für den Bau von Wind- und Solaranlagen. Durch deren Einordnung als „von überragendem öffentlichen Interesse“ werden die Klagemöglichkeiten von Anwohnern, Kommunen und Naturschutzverbänden stark eingeschränkt. 

Habeck weiß, wer Emissionen senken will, kann dies in fünf miteinander verwobenen Bereichen tun. Einseitige Ansätze sind nicht nur wenig erfolgreich, sie beinhalten auch das Risiko eines wirtschaftlichen Schadens, wie eine dauerhafte Inflation über fünf Prozent durch grüne CO2-Besteuerung belegt.

Das Osterpaket vom grünen Wirtschaftsminister befaßt sich de facto aber nur mit der Energieerzeugung. Die Firmen und Betriebe der Bereiche Immobilien, Verkehr, Landwirtschaft und Industrie werden also weiter unter den Folgen der verfehlten Energiepolitik leiden. Sektorenübergriffe vom Schwerlastverkehr für Windrädertransporte über Produktionsökonomie der Industrie bis hin zu fehlenden Umsetzungskapazitäten für alle Maßnahmen fehlen im Paket. Sie sollen aber in einem bereits angekündigten Sommerpaket nachgeliefert werden.

Im vom Osterpaket betroffenen Energiebereich ändert Habeck neun Gesetze und zahlreiche Vorschriften. Einigkeit herrscht in der Ampelkoalition darüber, daß die Klimaneutralität um jeden Preis Vorrang vor einer Dämpfung der Energiepreise und der Inflation hat. Entlastung beim Energiepreisniveau soll es weiterhin nur populistisch orientiert für sozial schwache Haushalte geben. Wirtschaft und Arbeitnehmer zahlen weiter Rekordpreise mit steigender Tendenz.

Die Umsetzung der Bundesvorgabe, pro Bundesland zwei Prozent der Fläche für den Bau von Windrädern und Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlage) bereitzustellen, liegt zwar weiter in der Hand der Bundesländer, sofern Habeck nicht auch hier gesetzgeberisch eingreift. Allerdings beendet der grüne Minster deren Möglichkeiten, Naturschutzflächen generell von Bebauung oder der logistischen Nutzung für Stromtrassen und Zuwege auszunehmen.

Minister im Glück – hoher Börsenpreis entlastet Steuertopf

Aus Sicht des 52jährigen sind die Regelungen notwendig. Der Rückgang des Ausbaus der Ökostromanlagen in den vergangenen Jahren war vor allem der Tatsache geschuldet, daß die geeigneten Flächen ohne Naturschutz und ohne angrenzende Wohnbebauung im wesentlichen aufgebraucht sind. Habeck hingegen plant mit einem enormen Zuwachs an Flächenverbrauch auf insgesamt 7.152 Quadratkilometer (qkm) Fläche, was zwei Prozent entspricht. 30 Prozent der 357.388 qkm Fläche Deutschlands sind bewaldet. Diese Größenverhältnisse zeigen den in Zukunft unvermeidbaren Konflikt zwischen Ökologie und Klimaschutz, insbesondere bezüglich der fünf Prozent von Deutschlands Boden, die unter den besonderen Schutz des Naturschutzrechts fallen.

Die Planungszahlen des Osterpakets für die Windkraft hingegen zeigen, warum die Vorgaben vor allem durch den fehlenden Sektorenübergriff zum Scheitern verurteilt sind. Als 2017 noch ausreichend windreiche Flächen verfügbar waren, wurden in Deutschland fünf Gigawatt (GW) Windkraft-Leistungskapazität gebaut, 2021 bereits nur noch zwei GW. Habecks Planungen erfordern einen Zubau von fünf GW im Jahr 2023, der sich jährlich auf zehn GW ab 2027 steigert. Neu installierte Anlagen verfügen in absehbarer Zukunft im Schnitt über eine Leistung von knapp vier MW. Jedes weitere GW neuer Leistung entspricht also 250 neuen Windrädern. Doch die Lagen werden immer schlechter. So daß bald mehr oder größere Windräder pro MW nötig werden.

Dies scheitert nicht nur an der Ausweisung der Flächen, die auch nach neuem Recht mindestens ein Jahr dauern wird. Es fehlen schlicht die Hersteller der Anlagen. Die nach Habecks Planungen notwendige Nachfrage würde als ersten Effekt die Marktpreise der Anlagen massiv erhöhen und die Lieferzeiten stark verlängern. Aber selbst wenn ausreichend moderne Anlagen und Flächen zur Verfügung stünden, würde der Ausbau an der Logistik scheitern. 

Zehn GW theoretische Leistung bedeuten 2.500 neue Windräder pro Jahr. Jedes Windrad steht für mindestens zehn Schwertransporte. Diese 25.000 Schwertransporte über mehrere Tage scheitern zunächst am Straßennetz, welches weder auf den langen Strecken noch in Waldgegenden für Transporte von bis zu 100 Metern Länge ausreicht, zumal auch Kurven gefahren werden müssen. In Naturschutzgebieten hält die Struktur den Abmessungen und Gewichten noch weniger Stand. 

Neben den Schwertransporten erfordern die über 200 Meter hohen neuen Anlagen mit einem durchschnittlichen Rotordurchmesser von 133 Meter zahlreiche Betonfundamente für das Windrad und die Spezialkräne, die für diese Lasten notwendig sind. Für diese Fundamente fehlt es aktuell nicht nur an Beton, dessen Produktion im Inland angesichts der Energiepreise kaum noch lohnt. Es fehlt vor allem an Personal, vom Planungsingenieur über den Bauarbeiter bis hin zum Kranführer und Schwertransportfahrer, deren jeweilige Ausbildung langwierig und kostspielig ist. Die fehlende sektorenübergreifende Planung zeigt sich auch bezüglich eines anderen Infrastrukturaspekts. Waldgebiete und Naturschutzflächen waren bislang auch vom Stromnetzausbau ausgenommen. Es fehlt schlicht an Strom für die Baustellen und Netzkapazitäten zum Abtransport des Windstroms.

Auch sonst erweisen sich die Habeckschen Ankündigungen nicht wirklich als frohe Osterbotschaft. Der angekündigte Wegfall des EEG für die Endkunden entlastet Haushalte und kleinere Unternehmen ohne Befreiung um etwa fünf Cent pro Kilowattstunde nach einem durchschnittlichen Preisanstieg von über 15 Cent. Die Subventionen der überförderten Altanlagen im EEG-System werden allerdings weiter an die Anlagenbesitzer gezahlt. Die vermeintlich entlasteten Haushalte finanzieren dies nun über ihre Steuerzahlungen, insbesondere über die inflationstreibenden Verbrauchssteuern auf CO2. 

Ironischerweise sind die explodierenden Strompreise an der Strombörse EEX die einzige Rettung für Minister Habeck, um seine Klimafondsmittel nicht zu stark in den Subventionsbestand abführen zu müssen. Die EEG-Zahlungen an die Windrad- und PV-Besitzer sind die Differenz zwischen dem Börsenpreis und dem Garantiepreis. Hohe Börsenpreise bedeuten also, daß der Bürger weniger Steuern dafür zahlen muß, ergo daß die EEG-Umlage jetzt nicht mehr über die Stromrechnung bezahlt werden muß. Angesichts dieser gesetzgeberischen Leistung verwundern die anderen Planungsfehler des Osterpakets deutlich weniger.

Neztseite mit Infos zu Strom und Atomkraft: www.kernfragen.de

Foto: Ostereier im Paket: Wie Wirtschaftminister Habeck die Wirtschaft überrascht und enttäuscht