© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/22 / 29. April 2022

Aufgeschnappt
Melodische Kontaminationen
Matthias Bäkermann

Der Leipziger Fußballclub RB Leipzig hat in der deutschen Fanszene keinen guten Ruf: Der im Besitz des österreichischen Getränkekonzerns Red Bull GmbH befindliche Bundesligist sei ein Retortenverein mit viel Geld statt Tradition etc.pp., so der Vorwurf. Um dieses Image aufzupolieren, gehen die Leipziger den fremden Fans mit der ungewöhnlichen Geste um den Bart, bei Heimspielen auch deren Vereinshymne abzuspielen. Doch am vergangenen Sonnabend wichen sie davon ab, denn der FC Union Berlin war zu Gast an der Pleiße. Und deren Hymne „Eisern Union“, 1998 dem damals unterklassigen Köpenicker Kultclub von seinem prominenten Fan Nina Hagen dediziert, erinnere melodisch beim Abschnitt „Den Sieg vor den Augen, den Blick weit nach vorn ...“ zu sehr an die Eingangsharmoniefolge der russischen Nationalhymne. Die Verantwortlichen der Leipziger Energiebrause-Kicker, in allglattem Marketingsprech wohl geübt, begründeten diesen Schritt mit Political Correctness: „Wir haben heute 600 ukrainische Geflüchtete in die Red-Bull-Arena eingeladen. Die würden das sicher völlig mißverstehen“, erklärte RB sorgenvoll mit Verweis auf den russischen Angriffskrieg seine woke Entscheidung.