© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/22 / 29. April 2022

Hoffnung schöpfen
Elon Musk kauft Twitter: Das politisch-mediale Establishment ist empört
Frank Hauke-Steller

Plötzlich herrscht die Angst. Angst vor einem Mann, der die Meinungsfreiheit wieder vom Kopf auf die Füße stellen könnte. Elon Musk, einer der wohl genialsten Unternehmer unserer Zeit, wird Twitter übernehmen. Die selbsternannten Protagonisten von „Vielfalt und Toleranz“, die den Kurznachrichtendienst als „Closed Shop“ linker Haltungen betrachten, sind alarmiert. Sie sehen die Meinungsfreiheit in Gefahr und formulieren damit die Perversion des wichtigsten demokratischen Grundrechtes so offen wie nie.

Denn mit Musk würde Twitter, so die Befürchtung, wieder zu einer Plattform werden, auf der sich jedermann Gehör verschafft. Gemeint ist: Die Meinungsfreiheit ist in Gefahr, weil der Gründer des Elektroauto-Unternehmens Tesla die exzessive Löschpraxis beenden könnte. Konservative Beiträge läßt Twitter bisher massenhaft canceln. Größter Albtraum: Auch Donald Trump könnte dann die Plattform wieder nutzen.

Der ehemalige US-Präsident, über seine Regierungszeit Twitters absoluter Quoten-Bringer, ist seit fast anderthalb Jahren dort – wie auch bei Facebook – gesperrt und sollte es auch bleiben. Über die reichweitenstärksten sozialen Netzwerke kann der einst „mächtigste Mann der Welt“ nicht mehr kommunizieren. Die Elite aus dem Silicon Valley hat ihm, wie vielen anderen, das wichtigste Instrument moderner Kommunikation entzogen. Kritik an dieser Willkür und daran, nicht genehme Personen mundtot zu machen, bleibt kaum vernehmbar. Die westlichen Werte, die wir in alle Welt exportieren wollen, haben sich gewandelt.

Als Durchlauferhitzer für politischen Druck erfüllt Twitter eine wichtige Funktion der politisch-medialen Blase. Hier starten linke Organisationen Kampagnen, denen sich Entscheidungsträger nur schwer entziehen können oder wollen. Oft dient für politisches Handeln – selbst die Ernennung Karl Lauterbachs zum Gesundheitsminister – die angebliche Twitter-Community als Rechtfertigung. Ungestört spielen sich NGOs, Journalisten sowie Politiker dort die Bälle zu – und erklären das zum demokratischen Prozeß. Einen Störenfried wie Musk kann dieses System nicht gebrauchen.

Sowohl als Mitgründer des Zahlungsdienstes Paypal, der ihn reich machte, als auch als Schöpfer von Tesla und des Weltraumunternehmens SpaceX hat Musk gezeigt, daß ihn Hindernisse nicht aufhalten können. Bei den enormen Pionierleistungen, die er gegen große Widerstände durchgesetzt hat, mag die Vorhersage lächerlich klingen, daß er mit der Übernahme des Kurznachrichtendienstes und dem Wunsch, Twitters Leitbild zu ändern, vor seiner größten Bewährungsprobe steht.

Die 44 Milliarden US-Dollar, die der reichste Mensch des Planeten dafür braucht, sind das geringste Problem. Twitter, das ihn verhindern wollte, hat sich hektisch nach anderen Kauf-interessenten umgeschaut – vergeblich. 

Musk war wieder nicht aufzuhalten. Allen Protesten der mächtigen Zivilgesellschaft zum Trotz blieb nichts anderes übrig, als komplett an ihn zu verkaufen. Und damit kommen wir zum tatsächlichen Problem, vor dem der Unternehmer steht. Bisher gefeiert als Vorreiter der Elektromobilität, der einen wichtigen Beitrag gegen den Klimawandel leistet, riskiert Musk nun, beim Establishment in Ungnade zu fallen. Der Gegenwind dürfte stürmisch werden, wenn er sein Verständnis von geistiger Freiheit durchsetzt. Nicht als weißer Ritter verehrt, sondern als Wegbereiter des Populismus geächtet – das dürfte die Zukunft Musks sein. 

Daß ein noch so tadelloses Image nicht davor schützt, vom einen Tag auf den anderen ausgegrenzt und zur Zielscheibe der sogenannten „liberalen“ Demokratie zu werden, haben auch in Deutschland schon einige erfahren. Cancel Culture heißt nicht nur so, sie ist tatsächlich „Kultur“. Und in der steht schon der Gedankenaustausch mit Verfemten unter Strafe. Genau den will Elon Musk auf Twitter ermöglichen. Daran und an dem Versprechen, Algorithmen und Quellcodes offenzulegen, muß man ihn messen. Bei allen berechtigten Einwänden, Instrumente der Meinungsbildung nicht in die Hände von Milliardären zu legen, weckt der gebürtige Südafrikaner hohe Erwartungen. Es wäre eine Social-Media-Revolution, der sich auch Facebook und Co. nicht entziehen können werden. Doch die Widerstände sind groß, und Musk wird noch stärker unter Druck geraten. Denn um globaler Ächtung anheimzufallen, genügt es, das Voltaire zugeschriebene Zitat mit Leben zu füllen, die Meinung des Gegenübers nicht zu teilen, aber alles dafür zu tun, sie äußern zu dürfen. Im 18. Jahrhundert waren wir offenbar weiter.

Wer heute echten Meinungsstreit auch nur zuläßt, gilt als Feind der Demokratie – als „Trump-Versteher“, „Türöffner“ oder „Verharmloser“. Dies erklärt auch die Selbstgleichschaltung vieler Journalisten. Sie können es sich nicht leisten, gegen den Strom zu schwimmen. Sie verfügen nicht über die finanzielle Unabhängigkeit eines Elon Musk.

Der Tesla-Chef folgt Voltaire nicht nur, weil er tolerant ist. Er kann mit den im engen Korridor zugelassenen Meinungen zuweilen auch nichts anfangen. Das hat er in den vergangenen Jahren durchblicken lassen. Daß er gegen den Strich bürstet, haben Medien und Politik zwar registriert, aber geflissentlich ignoriert. Zu wichtig war es, den Vorreiter alternativer Kraftfahrzeugs-Antriebe für den Klimaschutz zu instrumentalisieren.

Im Freund-Feind-Denken der modernen Zivilgesellschaft ist nur Platz für Gut und Böse. Und da mußte Musk der Gute sein. Jetzt aber, da Elektromobilität zum Mainstream auch der herkömmlichen Hersteller gehört und er ein wichtiges soziales Medium übernimmt, erinnert man sich an Musks gelegentliches Abweichlertum. Nun stellt er eine Bedrohung dar. Die Mechanismen, ihn ins Lager der Bösen zu bugsieren, haben begonnen. Es wird nicht lange dauern, bis man ihn endgültig dort verortet. Auf Dauer läßt sich ein Mann wie Musk nicht instrumentalisieren. Genausowenig wie sich permanent die Meinungsvielfalt unterdrücken läßt. Es ist ein schwerer Weg, den der Unternehmer vor sich hat. Erfüllt er die Hoffnungen der medial Schwachen, macht er sich zum Feind der Mächtigen.