© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/22 / 29. April 2022

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Streit ums stille Örtchen
Paul Rosen

Wenn Politiker bauen lassen, dann gelten zwei Grundsätze: Erstens dauert es erheblich länger als ursprünglich geplant. Zweitens wird alles erheblich teurer. So ist es gerade wieder beim geplanten Bau des Besucher- und Informationszentrums des Deutschen Bundestages (BIZ) unmittelbar am Reichstag zu erleben. 

Seit den Terroranschlägen vom September 2001 sind die Sicherheitsvorschriften zum Betreten öffentlicher Gebäude immer weiter verschärft worden. 2011 wurden die bis dahin im Reichstag vorgenommenen Kontrollen in kurzfristig aufgestellte Container vor dem Gebäude verlagert. Die Containeranlage war schon länger ein Stein des Anstoßes, und 2014 entschloß man sich zum Neubau eines Besucherzentrums auf der anderen Straßenseite. Die Besucher sollten dann durch einen Tunnel in das Reichstagsgebäude gelangen. Acht Jahre später ist der Streit zwischen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und dem Land Berlin um Details des Besucherzentrums weiter in vollem Gange. Jetzt geht es um ein daneben geplantes Toilettenhäuschen, was das Land Berlin allerdings strikt ablehnt. Das Berliner Baukollegium, das Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeld berät, übt Kritik an der Toilettenplanung. Es sei nicht schön, wenn sich die Bundesrepublik ihren Besuchern zuallererst mit einem Toilettenhäuschen präsentiere, ließ das Gremium den Bund wissen.

Die Bundesebene regierte entsetzt. Christoph Krupp, der Vorsitzende der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, verwies darauf, das Projekt sei vollständig mit dem Land Berlin abgestimmt. Es dürfe nicht schon wieder Verzögerungen geben. Außerdem ließ der Bund wissen, daß öffentlich zugängliche Toiletten im Besucherzentrum nicht möglich seien. 

Zwar wird es dort eine Toilettenanlage im Untergeschoß geben, aber die ist nur für diejenigen zugänglich, die die Sicherheitskontrollen bereits passiert haben. Für die zahlreichen vor dem Zentrum wartenden Gäste soll es daher dieses „Kleinbauwerk“ mit patinierten Messingplatten geben, das sich vom Besucherzentrum mit seiner Fassade aus Glas und weißen Säulen stark absetzt.

Außerdem berichtete Architekt Markus Schietsch dem Baukollegium, daß mit einem Baustart im Jahr 2025 und einer Fertigstellung im Jahr 2029 zu rechnen sei. Das wären immerhin 15 Jahre seit dem Beschluß, das Besucherzentrum zu errichten. Auch die Baukosten, ursprünglich auf 150 Millionen Euro beziffert, haben sich auf inzwischen mehr als 200 Millionen Euro erhöht. Hinzugekommen sind eine Heizungs- und Klimazentrale für das Gebäude und zum Schutz des Geländes ein zehn Meter breiter und zweieinhalb Meter tiefer Graben sowie eine Zaunanlage. 

Ob das jetzt genannte Fertigstellungsdatum 2029 eingehalten werden kann, ist auch noch nicht sicher. Im Baukollegium ist von Risiken wegen unter dem Gelände verlaufenden Eisenbahntunnel berichtet worden, so daß beim Bau noch mit Überraschungen gerechnet werden könne.