© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/22 / 29. April 2022

„Müssen viel radikaler werden“
„Aufstand der Letzten Generation“: Was will diese Gruppe radikaler Klimaschützer?
Hinrich Rohbohm

Sie blockieren Autobahnen, wollen Pipelines sabotieren und kritische Infrastruktur in Deutschland lahmlegen: Seit Anfang des Jahres tritt quer durch die Republik der sogenannte „Aufstand der Letzten Generation“ auf den Plan. Eine Gruppe radikaler Klimahysteriker, die nach Fridays for Future, Extinction Rebellion und Ende Gelände mit einer neuen Strategie versucht, im Namen des Klimaschutzes die Energiepolitik westlicher Industriestaaten zu destabilisieren.

Ihr jüngster Coup: „Aufstand-Aktivisten“ hatten sich mit orangefarbenen Warnwesten als Bauarbeiter verkleidet und vor Robert Habecks Bundeswirtschaftsministerium den Bürgersteig aufgerissen und schwarze Farbe ausgeschüttet. Der Grund: Habecks Verhandlungen mit dem Emirat Katar über Gaslieferungen, mit denen sich Deutschland von Rußland unabhängiger machen möchte.

Wer steckt hinter dieser Gruppierung, die mit ihren Aktionen nun zusehends in den Fokus der Medien rückt? Und warum wählt sie anstelle von Freitagsdemos jetzt neue Taktiken für ihre Ziele?

Die Gründe dafür werden im „Haus des Engagements“ deutlich, einem Treffpunkt der grün-alternativen Szene im Herzen der Stadt Freiburg im Breisgau. Direkt gegenüber logiert der Freiburger Kreisverband der Grünen. Das „Haus des Engagements“ beschreibt sich selbst wie die meisten Treffpunkte dieser Szene in blumigen Worten als Ort, an dem „Kräfte für eine weltoffene, friedliche, ökologisch nachhaltige und gerechte Welt“ gebündelt würden. Das klingt gut. Ist es aber nicht immer.Denn das, was die Gruppe „Aufstand der Letzten Generation“ in den Räumen dieses Hauses plant, ist nicht friedlich. Es ist die unverblümte Aufforderung an Interessenten, Straftaten zu begehen, um die Infrastruktur Deutschlands zu sabotieren.

Die Zahl der Beteiligten an dem Treffen hält sich in Grenzen. Gerade einmal fünf Leute sind erschienen. Teilnehmer Nummer sechs ist der Reporter der JUNGEN FREIHEIT – inkognito. Schnell wird klar: Die Szene der Klimahysteriker hat seit der Corona-Krise ein Mobilisierungsproblem. Der Fokus der Medien verlagerte sich von Klimaprotesten auf Virusvarianten, Fallzahlen des Robert-Koch-Institutes und Demos von Corona-Maßnahmen-Gegnern. Hinzu kamen coronabedingte Einschränkungen für Versammlungen. Und seit Rußlands Überfall auf die Ukraine hat zudem ein weiteres Thema die Klimademos medial in den Schatten gestellt.

„Bei den Straßenblockaden in Frankfurt waren wir mit 150 Leuten im Einsatz“, erzählt Lotte, eine von zwei Referenten des Freiburger „Aufstand“-Treffens. Angesichts einer bundesweiten Mobilisierung eine eher überschaubare Größe. Die Wahl von Frankfurt als Blockade-Ort ist dabei kein Zufall. Die Stadt ist eine Hochburg selbsternannter radikaler Klima-Aktivisten aus den Reihen von Extinction Rebellion (XR) und der von der Interventionistischen Linken (IL) gesteuerten Gruppe Ende Gelände. Schon zuvor planten die beiden Organisationen, die kritische Infrastruktur der Bankenmetropole für ein Wochenende lahmzulegen. Das geht aus internen Strategiepapieren dieser Organisationen hervor, die die JF einsehen konnte. Darin war jedoch von mindestens 10.000 Teilnehmern die Rede, die für eine solche Aktion notwendig seien.

Eine Größenordnung, von der der „Aufstand der Letzten Generation“ derzeit weit entfernt ist. Mehrere ihrer bundesweit angebotenen konspirativen Aktionstrainings mußte die Gruppe mangels Beteiligung sogar wieder absagen. Wie etwa in Bayreuth. Es hätten sich nur zwei Personen angemeldet, daher werde das Treffen nicht stattfinden, schreibt der Aktionstrainer Luca in einer E-Mail an die potentiellen Interessenten. Bei Luca handelt es sich um Luca Thomas, einen 20 Jahre alten Studenten der Geoökologie, der zudem im Sprecherrat für Technik, Umwelt, Mobilität und Infrastruktur des Studentenparlaments der Universität Bayreuth sitzt.

„Demnächst wollen wir auch gegen Pipelines vorgehen“

Ähnlich wie bei „Ende Gelände“ hält „Aufstand der Letzten Generation“ seine Treffpunkte für die Aktionstrainings geheim. Nur die Veranstaltungsorte für die bundesweit stattfindenden Vorträge macht die Gruppe öffentlich. Diese Vorträge dienen als Einstieg für Interessierte. So auch das Referat von Lotte, einer korpulenten Frau mit Brille, etwa um die 20 bis 25 Jahre alt. Sie macht gleich zu Beginn klar, wen die Gruppe sucht: „Wir brauchen Leute, die bereit sind, gegen Gesetze zu verstoßen und sich dafür einige Tage inhaftieren zu lassen.“

Das Strickmuster dieser Veranstaltungen ist stets das gleiche. Es beginnt mit einem Vortrag, der vor einer Art Weltuntergang warnt. Ein von den Menschen verursachter Klimawandel bedrohe den Planeten. Daher müsse sofort gehandelt werden. „Stell dir vor, dein Haus brennt, was tust du?“ gibt Lottes etwa gleichaltriger, mit einer orangefarbenen Warnweste bekleideter Co-Referent ein Zitat von Greta Thunberg zum besten. Das soll darauf abzielen, daß in einer solchen existentiellen Notlage der Schutz des eigenen Lebens Vorrang vor der Einhaltung von Recht und Gesetz hat. Und deswegen, so der hinkende Vergleich, dürfen, ja müssen sich auch die „Aktivisten“ über Recht und Gesetz stellen, weil der Klimawandel das Leben auf der ganzen Welt bedrohe und ein Handeln dagegen somit legitim sei und eine höhere Priorität genieße.

Die Reaktionen unter den Zuhörern fallen unterschiedlich aus. „Diese Blockaden bringen doch nichts, wir müssen da viel radikaler werden“, meint einer von ihnen. Ein anderer widerspricht: „Eine Radikalisierung kommt für mich nicht in Frage.“  Einem dritten Gast ist die Zielsetzung der Gruppe nicht klar. „Was wollt ihr überhaupt erreichen?“ Schweigen. Hilfloser Blickkontakt zwischen Lotte und ihrem Warnweste tragenden Co-Referenten. „Also, äh, wir wollen den fossilen Wahnsinn stoppen“, versucht es Lotte mit einer Erklärung. 

Ratlose Gesichter in der Runde. „Demnächst wollen wir auch gegen Pipelines vorgehen.“ Aha.  „Was, wenn man im öffentlichen Dienst arbeitet und sich an solchen Aktionen beteiligt?“ fragt der inkognito teilnehmende Reporter. „Ja, das ist ein Problem“, beginnt Lotte. „Aber wir haben ganz viele Lehrer, die bei uns mitmachen, mit denen kannst du dich austauschen.“ Deren angebliches Resümee: Man könne als Pädagoge dreimal an solchen Aktionen mitmachen, bevor überhaupt disziplinarrechtliche Schritte erfolgen würden. „Aus Erfahrung wissen wir: Bei einer Tat ist die Gefahr einer Strafe praktisch null“, sagt der Warnwesten-Mann.

„Wir haben da auch ein Legal-Team, das dir weiterhelfen kann, wenn es trotzdem Ärger gibt“, ergänzt Lotte. Was das „Legal Team“ so macht und was die Gruppe ihren „Aktivisten“ empfiehlt, erfährt man auf deren Internetseite. Unter Punkt 2 beim Thema „Anti-Repression/Kosten“ heißt es da: „Antrag bei der Roten Hilfe stellen.“ Die übernähmen 50 Prozent der Anwaltskosten. Die Anträge seien „bei der jeweiligen Ortsgruppe der Roten Hilfe zu stellen“. Und: „Das Legal Team kann hierbei helfen.“ 

Nach Einschätzung der Verfassungsschutzämter in Bund und Ländern handelt es sich bei der Roten Hilfe um einen linksextremistischen Verein, der politische Gewalttäter unterstützt und sich auch von den Morden der RAF-Terrororganisation nicht distanziert. Im Gegenteil. Wer als Angeklagter auf Distanz zur linksradikalen Szene geht, verliert seinen Anspruch auf Unterstützung durch die Rote Hilfe.  

 Lesen Sie in der kommenden Ausgabe: Über die Rekrutierungs-Methoden von „Aufstand der Letzten Generation“, ihre Köpfe, Geldgeber sowie ihre Verbindungen zu Extinction Rebellion, Ende Gelände und Fridays for Future





Vier Gefährder, aber „keine Radikalisierung“

Der Bundesregierung liegen keine Anhaltspunkte für eine Radikalisierung der Klimaschutzbewegung vor. „Im Sinne eines qualitativen Anstiegs der Straftaten läßt sich eine Radikalisierung der diesbezüglichen Klimaproteste anhand vorliegender Daten des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes Politisch motivierte Kriminalität nicht feststellen“, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion, die der jungen freiheit exklusiv vorliegt. Zwar habe die Gruppierung „Aufstand der Letzten Generation“ durch ihre Blockaden des Berufsverkehrs in mehreren Städten „erhebliche Verkehrsbeeinträchtigungen“ zu verantworten, bei denen es „im rückstauenden Verkehr zu Unfällen“ kam, die Ausübung von „unmittelbarer Gewalt gegen Personen oder Sachen“ sei aber nicht bekanntgeworden, berichtet die Bundesregierung. Grundsätzlich versuchten Linksextremisten allerdings, „demokratische Diskurse zu verschieben, sie um ihre eigenen ideologischen Positionen zu ergänzen, gesellschaftlichen Protest zu radikalisieren und den Staat und seine Institutionen zu delegitimieren“. Insgesamt seien der Bundesregierung vier als Gefährder eingestufte Personen des linken politischen Spektrums bekannt, die bei den Klimaschutzprotesten involviert seien. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Hess, der die Anfrage federführend erarbeitet hatte, zeigte sich gegenüber der JF beunruhigt über die Tendenzen in der Klimaschutzbewegung: „Daß gleich vier Klimaextremisten als Gefährder eingestuft werden, beweist: Der Klimaextremismus ist auf dem Weg zum Terrorismus.“ Hess forderte die Bundesregierung auf, solche Fakten nicht der Öffentlichkeit vorzuenthalten, sondern „proaktiv“ darüber aufzuklären. (ho)