© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/22 / 29. April 2022

Prähistorische Freizeitgesellschaft mit 15-Stunden-Woche
Zurück in die Steinzeit
(dg)

Schon das Wort „Arbeit“ ist vorbelastet. In vielen Kulturen ist es negativ besetzt, steht für Mühsal und Plackerei. In der ersten Strophe des Nibelungenlieds bedeutet das mittelhochdeutsche „arebeit“ sogar Kampf und Schlächterei. Ungeachtet aller technischen Erleichterungen schaffen Menschen auch in der beschleunigten Ökonomie des 21. Jahrhunderts so besessen im „Schweiße ihres Angesichts“, daß man, wie der Wissenschaftsjournalist Tobias Hürter spottet, versucht sei, sie als „unersättliche Konsummaschinen“ zu sehen, die sich rücksichtslos durch die Biosphäre fressen (Hohe Luft, 2/2022). Der „Klimawandel“ zwinge jedoch zum Abschied von diesem Arbeitsverständnis, das in einer irrationalen Wachstumsideologie wurzle. Eine tiefe Zäsur wäre damit nicht verbunden, denn in der 300.000jährigen Menschheitsgeschichte sei ein von anstrengender Arbeit geprägtes Leben der Ausnahmefall gewesen. Wie der südafrikanische Anthropologe James Suzman jüngst nachzuweisen versuchte („Sie nannten es Arbeit“, München 2021), seien Menschen über lange Zeiträume hinweg als Jäger und Sammler gut mit einem Minimum an Arbeit ausgekommen – ohne deshalb, wie die den Geist des Kapitalismus atmende Wirtschaftsgeschichte der Vor- und Frühzeit uns weismachen will, ständig am Rand des Hungertodes dahinzuvegetieren. Vielmehr hätten sie sich, relativ komfortabel versorgt, eine nur 15stündige Arbeitswoche leisten können. Arbeitsorganisatorisch zurück in die Steinzeit? Ein Fernziel, das 1931 immerhin ein Klassiker der Ökonomie wie John Maynard Keynes empfohlen und aufgrund technisch ermöglichter Produktivitätssteigerung auch für erreichbar gehalten habe. 


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