© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/22 / 29. April 2022

Kabinenklatsch
Immer auf der Gewinnerseite
Ronald Berthold

Wie freut sich ein Bayern-Fan? Freut er sich überhaupt? Oder tut er nur so? Als ich während des Spiels gegen Borussia Dortmund auf die Zuschauer blickte, nahm ich eine gewisse Zufriedenheit wahr. Aber Euphorie? Ja, der Verein hat es wieder mal geschafft – diesmal vier Spieltage vor Schluß: Erneut ist Bayern München Deutscher Fußball-Meister geworden.

 Zum zehnten Mal am Stück und zum 19. Mal in den vergangenen 25 Jahren. Eine ganze Generation kennt praktisch keinen anderen Champion mehr. Dieser Titel gehört zum Gewohnheitsrecht des Klubs und seiner Fans. Ich verstehe das: Da kann man gar nicht mehr richtig ausrasten. Es ist einfach nur das passiert, was schon vor der Saison jeder wußte. 

Aber gibt es vielleicht noch einen anderen Grund? Daß ein Münchner, der anfängt, sich für Fußball zu interessieren, Bayern-Fan wird, kann ich trotz der charmanten Konkurrenz des TSV 1860 nachvollziehen. Aber warum ein Hamburger, ein Berliner, ein Stuttgarter, Magdeburger oder gar ein Dortmunder? Normalerweise läuft es doch so: Irgendwann geht man ins Stadion, die Begeisterung schwappt über und man wird Fan des einheimischen Vereins. 

Aber Bayern hat überall in Deutschland zahllose Anhänger. Es sind zum großen Teil Menschen, die vielleicht noch nie in der Münchner Allianz-Arena waren. Am Montag blickten sie mit Arroganz und Häme auf diejenigen, die mit den Niederlagen ihrer Klubs hadern. Sie folgen den Erfolgreichen. Schmerz kennen sie nicht. Wer nicht leidet, kann sich aber auch nicht freuen. Daher auch diese auffallend gebremste Stimmung im Stadion.