© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/22 / 06. Mai 2022

Rasante Inflation
Plötzliche Engpässe
Dieter Stein

Meine Kinder, ab 2002 geboren, werden wie andere Angehörige dieser Generation, mit dem Begriff Inflation kaum etwas anfangen können. Geldentwertung, bei einer langjährigen Inflationsrate zwischen ein und zwei Prozent, ist eine abstrakte Größe. Seit Jahresbeginn springt die Teuerung jedoch rasant an, liegt aktuell schon bei über sieben Prozent. Beim Gang zum Schnellimbiß ist jetzt bereits für Schüler zu spüren, daß ein Euro plötzlich deutlich weniger wert ist als vor einem Jahr. 

Jeder JF-Leser wird aufmerksam die Mitteilungen der Energieversorger gelesen haben. Alleine hier sind die Preissteigerungen enorm. Mehrere Faktoren schaukelten sich auf: Folgen der aberwitzigen Energiewende, der mit dem Auslaufen von Corona zunächst wieder anspringenden Weltwirtschaft und nun der eskalierende Ukraine-Konflikt.   

Das Schreckgespenst der Teuerung und Geldentwertung ist zurück. Jeder kann es spüren. 

Wie geht es unseren Firmen? Die langfristige Stabilität der Preise, die Liefersicherheit waren ein wichtiges Plus für unseren Wirtschaftsstandort. Kalkulationen waren langfristig angelegt, es gab wenig Überraschungen. Jeder Inhaber eines Unternehmens wird dies bestätigen.

Diese Zeitung paßt traditionell im November ihre Preise im Rahmen der erwartbaren Steigerung der eigenen Kosten an. Kaum war das passiert, erhielt ich Anfang Dezember die Nachricht unserer Druckerei. Eine Information, die ich in 30 Jahren in solcher Drastik so noch nie erlebt habe. Die Papierproduzenten schlössen ab sofort keine Jahresverträge mehr ab, sondern machten nur noch vierteljährliche Preiszusagen. Im übrigen erhöhten sich ab 1. Januar die Papierpreise um 74 Prozent. Das war für uns schon ein Hammer.

Begründung: Es gäbe Engpässe beim Altpapier, einige Papierfabriken seien (Bestellwahnsinn zu Corona-Zeiten!) auf die Herstellung von Verpackungen umgestiegen und so weiter. Ich gab daraufhin die Parole aus: Abwarten. Wunderwelt der Marktwirtschaft. Die Preise werden sicher bald durch Markteintritt neuer Lieferanten fallen.

Doch dann kam der 24. Februar, Angriff auf die Ukraine. Zwei Wochen später: Anruf der Druckerei. Die Preise erhöhen sich ab 1. April erneut, in Summe seit Dezember jetzt um 133 Prozent! Es entsteht für uns dadurch 2022 ein absehbarer Schaden von etwa 130.000 Euro. Was sollen wir tun? Kurzfristig die Preise erhöhen? Pro Abonnent wären dies rund fünf Euro. Wie viele würden dies als Zumutung empfinden?

Heute morgen erhielt ich die Kündigung eines langjährigen Lesers. Er bedaure den Schritt „zutiefst“, da die JF „zu den wenigen schriftlichen Höhepunkten in diesem Land gehört“. Er könne aber wegen des „Schrumpfens“ seiner finanziellen Mittel nicht mehr. Hier sehen wir, wie die Inflation Firmen und Bürger immer stärker in die Zange nimmt.