© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/22 / 06. Mai 2022

Armin Schuster. Überraschend hat der CDU-Konservative das Amt des sächsischen Innenministers übernommen.
Der neue Flügelspieler
Paul Rosen

Politiker mit Fachkenntnissen sind zur Ausnahmeerscheinung geworden. Eine solche ist Armin Schuster, von 2009 bis 2020 für den südbadischen Wahlkreis Lörrach-Müllheim Abgeordneter des Deutschen Bundestags und dort Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Innenausschuß. Danach war der 60jährige ehemalige Polizeibeamte mit langjähriger Diensterfahrung bei der Bundespolizei Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Dort sollte er sich mit den Folgen von Corona, Ahr-Hochwasser, mit Cyberangriffen und mit der Zivilverteidigung angesichts des Ukraine-Krieges plagen. Doch dann eine Überraschung: Seit Ende April ist Schuster Sachsens neuer Innenminister, nachdem der entlassene CDU-Vorgänger Roland Wöller sein Aufgabengebiet offenbar nicht mehr in den Griff bekam.

Der gebürtige Rheinländer aus Andernach bei Koblenz war unter den Innenpolitikern der Unions-Fraktion der letzte in einer langen Reihe von Konservativen, zu denen zuletzt noch Wolfgang Bosbach und Clemens Binninger gehörten. Als Obmann im Innenausschuß pflegte er seit 2015 die Flüchtlingspolitik der damaligen Bundeskanzlerin zu kritisieren und wiederholte auch später oft, „daß sich eine (solche) Situation nicht wiederholen darf“. Unter den Fraktionskollegen war er wegen seiner Expertise geachtet und in der Bundesregierung wegen seiner Unabhängigkeit gefürchtet. Mit dem medialen Mainstream ging er keine Kompromisse ein. Als 2020 beinahe überall berichtet wurde, Anti-Corona-Demonstranten hätten versucht, das Parlament zu stürmen, hielt Schuster dagegen: „Das war kein Sturm auf den Reichstag.“

Armin Schuster wird sich auch von Dresden aus rasch erneut einen bundesweiten Namen machen. 

Die Politik kennt ein probates Mittel, wie man mit Kritikern, zumal wenn sie fachlich exzellent sind, umgehen kann: Man bietet ihnen ein schönes Amt an. Das hatte schon zu Helmut Kohls Zeiten funktioniert, als der bereits 1987 für das (damals noch verpönte) Ziel der deutschen Einheit kämpfende CDU-Haushaltsexperte Bernhard Friedmann zum Europäischen Rechnungshof wegbefördert wurde. Auch Innenminister Horst Seehofer wäre den eigenständigen Kopf Schuster gerne losgeworden; ihn als Bundesverfassungsschutzpräsidenten einzusetzen, soll aber am Widerstand der Kanzlerin gescheitert sein. 2020 bot ihm Seehofer das Bevölkerungsschutzamt an. Schuster, dem klar war, daß er in der Merkel-Regierung nichts mehr werden würde, akzeptierte. 

Mehr Zeit für seine Familie – Schuster ist verheiratet, hat eine Tochter, seine Hobbys sind Kochen, Joggen und Radfahren – hatte er trotzdem nicht, weil Katastrophen in Serie hereinbrachen. Als er äußerte, die Warninfrastruktur habe bei der Ahr-Flut funktioniert, geriet er in die Kritik. Aber er wies auch darauf hin, daß seine Behörde für diese Katastrophen nicht zuständig sei: „Wir drücken auf den Warnknopf erst im Kriegsfall.“ 

Doch hätte Armin Schuster im Bundesamt Anstöße zum Aufbau einer zentralen und straff organisierten Zivilverteidigung geben müssen, die an die Stelle des Organisations-Durcheinanders mit Länderbehörden, Polizei, Feuerwehr, Technischem Hilfswerk und Bundeswehr zu treten hätte. Dazu kam er jedoch nicht mehr. Die CDU aber hat mit ihm nun wieder einen konservativen Flügelspieler, der sich auch von Dresden aus schnell erneut einen bundesweiten Namen machen wird.