© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/22 / 06. Mai 2022

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Schleswig-Holstein: Nach der Landtagswahl am Sonntag könnte fast alles beim alten bleiben
Florian Werner

Katastrophen hat Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) bei der anstehenden Landtagswahl in Schleswig-Holstein nicht zu befürchten. Der 2017 mit einem Überraschungserfolg in die Kieler Staatskanzlei gewählte Christdemokrat hat seiner Partei zuletzt Zustimmungswerte von 38 Prozent beschert. Ähnlichen Rückhalt kann im Norden Deutschlands derzeit nur Manuela Schwesigs SPD in Mecklenburg-Vorpommern für sich verbuchen. Sein nüchterner Regierungsstil hat Günther in den vergangenen fünf Jahren viel Sympathie eingebracht. 74 Prozent der Schleswig-Holsteiner zeigten sich zuletzt mit seiner Arbeit zufrieden. 

Bei der vergangenen Landtagswahl 2017 mußte er kurzfristig als Spitzenkandidat einspringen. „Ich war damals eher der Notnagel der CDU“, gestand er jüngst im Gespräch mit dem NDR offen ein. Dieses Mal indes spielt sich die Wahl unter umgekehrten Vorzeichen ab. Der Ministerpräsident gilt als klarer Favorit. Seine Konkurrenten können sich voraussichtlich keine Hoffnungen auf das Amt an der Spitze des Landes machen. Vor allem sein sozialdemokratischer Herausforderer Thomas Losse-Müller hat noch mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Bei den Wählern ist er nach wie vor weitgehend unbekannt. Der Volkswirt ist selbst erst kürzlich von den Grünen zur SPD gewechselt. 

In der „Küsten-Koalition“ unter Torsten Albig (SPD) arbeitete er als Staatssekretär im Finanzministerium und dann als Chef der Kieler Staatskanzlei. Zu seinen zentralen Wahlversprechen zählen der Ausbau der Elektromobilität sowie die Abschaffung der Kita-Gebühren in dem Land. „Mecklenburg-Vorpommern hat keine Kita-Gebühren, Hamburg hat keine Kita-Gebühren, Niedersachsen hat keine Kita-Gebühren, Bremen hat keine Kita-Gebühren – alles SPD-geführte Länder. Das ist eine Frage des politischen Willens“, bekräftigte Losse-Müller jüngst in einem Fernseh-Duell mit dem amtierenden Ministerpräsidenten und der Grünen-Spitzenkandidatin Monika Heinold.

Diese ist seit 2012 schleswig-holsteinische Finanzministerin und galt bis zu dessen Spurwechsel in die SPD als politische Ziehmutter von Losse-Müller. Nun tritt Heinold gegen ihn an. Obwohl ihre Zustimmungswerte vergleichsweise niedrig sind, hat sie den Anspruch, Ministerpräsidentin zu werden. Im Fall ihrer Wahl will sie drei Prozent der schleswig-holsteinischen Landesfläche mit Windkraftanlagen bebauen. Die „Klimakrise“ sei bereits in vollem Gang. Hinzu komme noch die Abhängigkeit von russischem Gas. „Ich hoffe, daß jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, wo wir alles tun, um mit Sonne, Wind und Biogas Strom zu erzeugen. Da ist noch viel Luft nach oben“, betonte sie in der Fernsehrunde.

Dabei ist fraglich, ob die Politikerin auch in der kommenden Legislaturperiode überhaupt noch als Finanzministerin wirken können wird. Die CDU hat ihre Umfragewerte zuletzt so stark verbessert, daß sie in Zukunft womöglich nur noch einen Juniorpartner bräuchte, um zu regieren. Das ginge sowohl mit den Grünen als auch mit der FDP. 

Partei der Dänen könnte zum Zünglein an der Waage werden

Für die anderen Parteien in Schleswig-Holstein könnte es nach der Wahl im Grunde genauso wie vor der Wahl aussehen. Während die dänisch-friesische Minderheitenpartei Südschleswigscher Wählerverband (SSW) sich in der Wählergunst zuletzt um einen Punkt auf fünf Prozent vorgekämpft hatte, rutschte die AfD mit einem Punkt auf die kritische Fünfprozentmarke ab. Ihr Spitzenkandidat Jörg Nobis zeigte sich gegenüber der JUNGEN FREIHEIT zuletzt trotzdem zuversichtlich, daß die Partei erneut ins Parlament einziehen werde (JF 18/22). Über die Jahre habe man sich eine Stammwählerschaft aufgebaut.

Besser scheinen die Dinge für den SSW zu stehen. Glaubt man den Umfragen, könnte der Wählerverband mit fünf Prozent der Wählerstimmen so gut dastehen wie seit 1950 nicht mehr. Die Partei ist seit ihrer Gründung im Jahr 1948 im Kieler Landtag vertreten, da sie aufgrund ihres Minderheitenstatus von der Fünfprozenthürde ausgenommen ist. Bei der vergangenen Landtagswahl kam sie auf rund drei Prozent. Seit vergangenem Jahr stellt sie zudem nach jahrzehntelanger Abwesenheit auf nationaler Bühne wieder einen Bundestagsabgeordneten. Der SSW wirbt mit einem Mindestlohn von 13 Euro und einer schleswig-holsteinischen Klimaneutralität bis zum Jahr 2035 für sich. Der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gegenüber wollte Spitzenkandidat Lars Harms nicht ausschließen, daß der Wählerverband nach der Wahl das Zünglein an der Waage sein könnte, wenn es um die Regierungsbildung geht.

Die guten Umfragewerte für die dänisch-friesische Partei können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich die friesische Minderheit kürzlich in einem offenen Brief an Bildungsministerin Karin Prien (CDU) über den schlechten Stand der friesischen Sprache an den Schulen des Landes beklagt hatte. Friesisch müsse endlich zu einem regulären Schulfach in Schleswig-Holstein werden, forderte sie – auch an den SSW gerichtet.

Eine Tradition dürfte sich unterdessen wahrscheinlich auch nach der Wahl fortsetzen: Die Linkspartei wird aller Voraussicht nach wieder nicht den Sprung ins Kieler Landesparlament schaffen. In den vergangenen Wochen stagnierte sie in Umfragen bei etwa drei Prozent. Damit sieht sich die Linke in Schleswig-Holstein erneut unfreiwillig in die Riege der Kleinparteien gedrängt.

Diese werben in dem Bundesland unter dem Eindruck der Corona-Krise oftmals mit gesundheitspolitischen Themen für sich. Die Partei „Zukunft.“ beispielsweise tritt mit dem Wahlversprechen an, die medizinische Grundversorgung auszubauen. Ärzte sollen zukünftig überall in Schleswig-Holstein innerhalb von 15 Minuten erreichbar sein. Die Partei für Gesundheitsforschung sieht sich sogar als gesundheitspolitische „Ein-Themen-Partei“. Und „Die Basis“ auf der anderen Seite setzt sich auf Landesebene für die Aufhebungen aller Corona-bedingten Einschränkungen ein – von denen es im Land zwischen den Meeren kaum noch welche gibt. 

Auch deswegen wird Proteststimmung im hohen Norden wahrscheinlich nicht aufkommen. Nicht umsonst landet Schleswig-Holstein in dem jährlich von der Deutschen Post erhobenen Glücksatlas regelmäßig auf dem ersten Platz.