© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/22 / 06. Mai 2022

Auf der Spur des Klebers
Die Klimaschützer der „Letzten Generation“: Hinter ihren aufsehenerregenden Aktionen stecken ominöse Geldgeber/ Teil 2
Hinrich Rohbohm

Sie haben erneut zugeschlagen. Selbsternannte Aktivisten vom „Aufstand der Letzten Generation“ (JF 18/22) sabotierten in der vergangenen Woche an mehreren Orten in Deutschland Rohöl-Pipelines. In Zweierteams brachen sie in Notfall-Absperr-Stationen ein, drehten Ventile zu. Nachdem sie den Ölfluß stoppten, ketteten sich die Täter an das Sperrventilrad oder befestigten sich dort mit Sekundenkleber.

Ihre Forderung: Keine Ölbohrungen in der Nordsee. Genau das hatten Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und einige SPD-Politiker als Alternative zu russischem Öl gerade erst ins Spiel gebracht. Eine Anregung, die der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck derzeit prüft und damit nach seinen Verhandlungen mit dem Emirat Katar über Gaslieferungen an Deutschland erneut ins Visier der radikalen Klimahysteriker gerät.

Einer der mutmaßlichen Täter ist Ernst Hörmann. Ein pensionierter Maschinenbauingenieur und ehemaliger Mitarbeiter der Deutschen Bahn. Der 72jährige Alt-68er machte als eine Art Öko-Krawall-Opa bereits vor den Aktionen der Aufstand-Aktivisten auf sich aufmerksam. Vor fünf Jahren war er über Greenpeace zu „Ende Gelände“ gestoßen, einer gewaltbereiten linksradikalen Klimagruppe, bei deren maßgeblich initiierten Sabotage-Aktionen gegen Braunkohle-Abbau er ebenso mit von der Partie war wie in den Baumhäusern während der Besetzung des Dannenröder Forsts.

Mit einem Hungerstreik im Wahlkampf hat es begonnen

Zwar preist die „Letzte Generation“ stets ihre Gewaltlosigkeit beim „zivilen Ungehorsam“ an. Doch bei näherer Betrachtung ihrer Führungsfiguren läßt sich schnell erkennen, daß es sich lediglich um ein neues Format für die radikalen Klimagruppen „Ende Gelände“ und „Extinction Rebellion“ (XR) handelt. Selbst die Aktionsformen ähneln sich bis ins Detail. Straßenblockaden samt mit Sekundenkleber auf dem Asphalt befestigten Händen? Machten schon Mitglieder der XR-Bewegung. Pipelines sabotieren, den Hamburger Hafen oder den Frankfurter Flughafen lahmlegen? Wurde bereits bei „Ende Gelände“ geplant.

Auch die Aktivisten-Rekrutierungen erfolgen nach dem gleichen Schema. Wie bei XR werden Interessenten in Vorträgen und Aktionstrainings für Sabotage-Aktionen geschult und getestet, wieweit sie bereit sind, Straftaten zu begehen. Die Aktionstrainings versprühen den Charme einer esoterischen Sekte. Sie beginnen mit einer Meditationsübung. Die Teilnehmer sollen sich auf den Boden legen, um eine „Erderfahrung“ zu durchleben. „Schließt die Augen und spürt den Boden unter euch.“ Fast 20 Minuten dauert das Ritual. Die Trainerin spricht vom Leid dieser Welt, von der belasteten Umwelt, eingesperrten Tieren. Zuletzt beschwört sie: „Eure Energie ist jetzt aufgeladen und fokussiert.“

Dann wird es interessant. Das strategische Konzept für die Sabotage-Aktionen wird besprochen. Schnell stellt sich heraus: Auch hier ist es das gleiche Konzept, wie es XR vermittelt. Schon damals folgten sie einem Leitfaden, dessen Ursprünge nach Recherchen der JF in den Mehringhof von Berlin-Kreuzberg führen, ein Zentrum der linksextremen Szene. Wie bei XR teilt die Letzte Generation ihre gläubigen Jünger in Bezugsgruppen auf, die jeweils von einer „Bienenkönigin“ angeführt werden, eine Wortneuschöpfung für den Anführer der Gruppe. „Nur die Bienenkönigin wird über Zeit und Ort unserer nächsten Aktion von uns informiert. Von ihr erfahrt ihr alles weitere“, erklärt die Aktionstrainerin. Gegen Ende der Veranstaltungen reichen die Referenten Zettel herum. „Ihr könnt dann mal eure Kontaktdaten eintragen, dann nehmen wir euch in unseren Newsletter auf“, kündigt die Referentin an. Kommuniziert wird über die Messenger-Dienste Telegram und Signal. 

Die neue Bewegung war im Sommer vorigen Jahres bei einer Hungerstreik-Aktion rund um dessen Initiator Jacob Heinze entstanden. Der 27 Jahre alte Dortmunder kommt ebenfalls aus den Reihen der Baumhausbesetzer rund um den Dannenröder Forst, war zuvor sowohl in der von der Interventionistischen Linken gesteuerten Ende-Gelände-Gruppe aktiv als auch bei XR und Fridays for Future. Die Hungerstreik-Gruppe wollte den drei Kanzlerkandidaten im Bundestagswahlkampf mit ihrer Aktion die Errichtung eines Bürgerrates abpressen, dessen Beschlüsse für die kommende Bundesregierung bindend sein sollte. Die Idee entstammt ebenfalls dem Forderungskatalog von XR. Zur Hungerstreik-Gruppe und damit zu den Gründern der Letzten Generation zählen auch die 19jährige ehemalige XR-Aktivistin Lina Eichler aus Dortmund und „Mephisto“, eine anonym bleibende 18jährige. Zu der Gründer-Gruppe gehört auch Rumen Grabow, ein 20jähriger „Vollzeit-Aktivist“ aus Greifswald, der zuvor ebenfalls bei XR aktiv war.

Genauso Henning Jeschke. Wie Grabow stammt der 22jährige aus Greifswald. Weil er sich vor knapp zwei Jahren auf dem Lübecker Flughafen per Sekundenkleber an den Rumpf einer Maschine haftete, mußte er sich bereits vor Gericht verantworten. Konsequenzen: Keine. Das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt, Amtsgerichtspräsident Carsten Löbbert bezeichnete Jeschkes Anliegen gar als „sympathisch“. Jetzt, während der Sabotage-Aktionen der Letzten Generation, lebt Jeschke gemeinsam mit der „Aktivistin“ Lea Bonasera in einer Altbauwohnung in Berlin-Kreuzberg, die von der Gruppe als Rückzugsort für ihre Aktions-Teilnehmer angemietet wurde und die sie angeblich durch Spenden finanziert.

Die 24jährige Lea Bonasera aus dem westfälischen Rheda-Wiedenbrück rutschte über den Tierschutz und den Veganismus in die Klimaszene, geriet während eines Studienaufenthaltes in Oxford in Kontakt zu XR und schließlich zum Aufstand der Letzten Generation. Als einer der engagiertesten Aktionstrainer der Gruppe gilt Luca Thomas aus Münster. Der 20jährige studiert Geoökologie an der Universität Bayreuth, sitzt dort für die Grüne Hochschulgruppe im Studentenparlament. Darüber hinaus ist er Sprecher von Fridays for Future in Bayreuth.

Die Bremerin Carla Hinrichs fungiert als Sprecherin der Aufständischen. „Hauptberuflich“, versteht sich. Auch die 24jährige war zuvor „Aktivistin“ bei XR, trat auch dort als Sprecherin in Erscheinung. Und da ist die 19 Jahre alte Heidelbergerin Carla Rochel, die ebenfalls als „hauptberufliche Aktivistin“ agiert, nachdem sie zuvor bei Fridays for Future mitwirkte. „Du möchtest für Vollzeitarbeit im Kampf gegen die Klimakrise bezahlt werden?“ werben die Aufständischen in ihrem Newsletter für einen Job im „Mobilisierungs-Team“.

Doch wer finanziert all die „hauptberuflichen“ Aktivitäten? Eigene Angaben dazu sind dürftig. Demnach werde alles durch Spenden gestemmt. Wer aber die Spender sind, bleibt undurchsichtig. Nichtregierungsorganisationen (NGOs) müssen ihre Geldquellen in Deutschland für gewöhnlich nicht offenlegen. Die hohen Schnittmengen mit Extinction Rebellion lassen jedoch auf Zuwendungen aus dem gleichen Milieu schließen. Etwa auf Organisationen wie die Bewegungsstiftung in Verden (JF 28/20), die es sich zur Aufgabe gemacht hat, radikale „Klima-Aktivisten“ zu bezahlen. 

Angesichts der Ziele gegen die Infrastruktur ausschließlich westlicher Industriestaaten käme als Geldquelle noch eine andere Seite in Frage. „Wir haben Gazprom-Finanzierung bei Umwelt-NGOs festgestellt“, erklärte Dominique Reynié vom französischen Forschungsinstitut Foundation pour L’innovation politique. Und Wissenschaftlern des Martens Centre for European Studies zufolge habe die russische Regierung 82 Millionen Euro an jene europäischen Klimaschutzverbände überwiesen, deren Ziel es ist, die Erdgasförderung in Europa zu verhindern. So, wie es bei Ende Gelände, XR oder Letzte Generation der Fall ist. Schon 2014 sprach der damalige Nato-Chef Anders Fogh Rasmussen davon, daß Rußland Umweltorganisationen mit dem Ziel unterstütze, Europa von russischem Gas abhängig zu machen. 

Auf dem Vortragstreffen von „Letzte Generation“ in Freiburg wollen wir daher wissen: Warum gibt es ihre Gruppen nur in westlichen Industriestaaten, nicht aber in Rußland oder China? Die Referenten weichen zunächst aus. „Ja, da könnte man natürlich auch Gruppen ins Leben rufen.“ Man habe dafür noch niemanden gefunden. „Aber diese Länder machen da ja schon mehr als genug und sind auf einem guten Weg“, lautet die ziemlich bemerkenswerte Antwort.