© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/22 / 06. Mai 2022

„Europa soll seine Probleme selbst lösen“
USA: Republikaner lassen an der Ukraine-Politik der Biden-Regierung kein gutes Haar / Hoffen auf die „Midterm-Elections“
Jörg Sobolewski

Gavin Wax ist ehrlich aufgebracht im Gespräch mit dieser Zeitung: „Wir haben amerikanische Städte, die wie Schlachtfelder aussehen, wir haben ein ungelöstes Migrationsproblem an unserer Südgrenze und uns wurde in der Trump-Ära lang und breit erklärt, daß zehn Milliarden Dollar für eine Mauer zuviel sind.“ Der Präsident des einflußreichen New York Young Republicans Club zählt zu den härtesten Kritikern des neuen Hilfspakets, das US-Präsident Joe Biden zur Unterstützung der Regierung in Kiew geschnürt hat. „Wir wenden jetzt 33 Milliarden Dollar auf, um eine korrupte Oligarchie in Osteuropa zu stützen. Deutlich mehr als wir in unserem eigenen Land zur Armutsbekämpfung ausgeben“, fährt Wax fort und verweist auf Videoclips, die in republikanischen Zirkeln kursieren und das Ausmaß der Verwahrlosung in den Innenstädten dokumentieren sollen. Die Interessen der Amerikaner, so Wax, stünden für die Regierung Biden nicht an erster Stelle. 

Steve Bannon: Die USA haben keine Aktien in der Ukraine

„America first“, der Schlachtruf der Trump-Kampagne 2016, fällt immer häufiger im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Das sieht sein Erfinder, der berüchtigte Stratege Steve Bannon, genauso. Der Krieg in Osteuropa sei vor allem „ein Problem für die Europäer“. Bannon hat zum Gespräch in seine Stadtvilla geladen und legt bereits in den ersten Minuten seine Weltsicht klar und deutlich dar. Verheerend sei vor allem, daß der Westen Rußland weiter in die Arme Chinas getrieben habe. Denn dort, so Bannon, sitze der wahre Feind der Freiheit. Amerika habe keine Aktien in der Ukraine, das „sollen die Europäer selber lösen“. 

Für den Endsechziger beweist der Krieg in Osteuropa vor allem, daß die Verbündeten auf der anderen Seite des Atlantiks schwach und vor allem Deutschland militärisch „ein Witz“ sei. Ökonomisch sei man von Rußland abhängig, militärisch komplett ausgeblutet und weltanschaulich sowieso am Ende. Daß lediglich 18 Prozent der Deutschen für ihr Vaterland zur Waffe greifen würden, sei „der beste Beweis dafür“. Es sei nicht Aufgabe der Amerikaner, hier zugunsten der Europäer einzugreifen, während China sich „seine Pfründe in Rußland sichert“. Wenn die Europäer sich am Ende eben zum Sklaven der russischen Energieexporte machen würden, dann sei das „deren Problem“.

Ed Corrigan, der Leiter des konservativen Thinktanks CPI (Conservative Policy Institute) wählt eher zurückhaltende Worte. Die weltweite Interventionspolitik habe sich besonders für den amerikanischen Arbeiter „nicht bezahlt gemacht“, doch genau der müsse im Zentrum konservativer Politik sein. Der ehemalige Senator gehört zu den wichtigsten Köpfen der Republikaner in Washington. Hinter den Kulissen verschiebt Corrigan Mehrheiten und sorgte nach der Machtübernahme von Donald Trump für die planmäßige Besetzung wichtiger Schlüsselstellen in US-Behörden durch verläßliche Kandidaten. 

Es war diese Kompromißlosigkeit, die ihm unter Liberalen und Mainstreamkonservativen die Bezeichnung „Evil Ed“ eingebracht hat. Corrigan sieht seine Partei als Sprachrohr der bedrohten amerikanischen Arbeiter- und unteren Mittelschicht. Früher habe man die Republikaner vor allem als „Country Club“-Partei“ wahrgenommen. Heute hingegen sei man die Interessenvertretung der „Blue Collar worker“, also der klassischen Arbeiterschicht. 

Furcht vor der Inflation und Rezession nutzt den Republikanern

Diese Wählerbasis hat Corrigan auch für die nächsten Wahlen im Auge, denn in den USA stehen die sogenannten „Midterm Elections“ an. In etwa sechs Monaten stehen stehen neben 35 Sitzen im Senat auch alle 453 Sitze im Repräsentantenhaus zur Wahl, und neben einem guten Ergebnis für die Republikaner steht für Corrigan als oberstes Ziel vor allem eine Stärkung des „Freedom Caucus“ auf der Tagesordnung. Das Bündnis populärkonservativer Republikaner, das unter anderem aus der Tea Party hervorgegangen ist, sieht Corrigan als rechte „Pressure Group“, als rechte Antreiber. Der Krieg in der Ukraine spielt für dieses Bündnis in erster Linie in bezug auf die Interessen der Wähler eine Rolle. Rußlandsanktionen, die für steigende Benzinpreise verantwortlich gemacht werden, oder milliardenschwere Hilfspakete vor dem Hintergrund einer weit verbreiteten Furcht vor Inflation und Rezession dürften hier den Ausschlag geben.

Umfragen geben mittlerweile eine hauchdünne Mehrheit für die Republikaner an, etwa 47 Prozent der Befragten tendieren momentan eher nach rechts, während 44 Prozent die Partei des demokratischen Präsidenten unterstützen würden. Unter sogenannten „Unabhängigen“ zeigt sich der republikanische Vorsprung noch stärker, hier gaben 45 Prozent an, die Republikaner wählen zu wollen, während lediglich 38 Prozent dem jeweiligen Kandidaten der Demokraten ihre Stimmen geben würden. Als Hauptargumente für die Entscheidung hin zu den Republikanern zählen vor allem die Wirtschafts- und Sicherheitspolitik. Die Rekordinflation von 8,5 Prozent im März könnte diese Dynamik noch verschärfen. 

Foto: Donald-Trump-Fan am 3. Mai  in Delaware (Ohio): Immer öfter wird „America first“ skandiert