© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/22 / 06. Mai 2022

Grundsteuerreform zwingt Eigentümer zu elektronischer Erklärung
Bewertungsprobleme bleiben
Stefan Kofner

Die große Grundsteuerreform befindet sich jetzt in der Umsetzung und damit kommt viel Arbeit auf die Verwaltung und die Steuerpflichtigen zu. Beschlossen wurde die Reform Ende 2019, weil das Bundesverfassungsgericht eine Neuregelung gefordert hatte: Die der Grundsteuer zugrunde liegenden veralteten Einheitswerte von 1964 (im Osten von 1935) spiegeln die aktuellen Wertverhältnisse in keiner Weise mehr wider, und das hat zu einer nicht mehr hinnehmbaren steuerlichen Ungleichbehandlung geführt.

Nun müssen also alle 36 Millionen Grundstücke und Betriebe der Land- und Forstwirtschaft neu bewertet werden – eine Herkulesaufgabe. Grundeigentümer müssen ab dem 1. Juli innerhalb von drei Monaten eine elektronische Erklärung abgeben, die neben der Grundstücks- bzw. Gebäudeart unter anderem Baujahr, Grundstücksfläche, Bodenrichtwert sowie Wohn- und Nutzfläche enthalten muß. Die Angaben sollen automatisiert verarbeitet werden, wobei je nach Bundesland mal mehr, mal weniger Informationen gefragt sind, weil nicht alle Länder das Berechnungsmodell des Bundes anwenden. Grundstücke mit Wohnhäusern werden auf dieser Grundlage nicht individuell, sondern mit einem stark typisierten Ertragswertverfahren bewertet, das Unterschiede in der Wohnlagequalität im Gemeindegebiet nur grob über Bodenrichtwert und Liegenschaftszins berücksichtigt.

Verwaltungs- und Instandhaltungskosten gehen mit Durchschnittswerten, die bauliche Beschaffenheit und der Modernisierungsstand der Gebäude gar nicht in die Berechnung ein, ebensowenig wie leerstehende Wohnungen. Die Höhe der anzusetzenden Nettokaltmiete ergibt sich aus dem durchschnittlichen Mietniveau im gesamten Gemeindegebiet. Insoweit gibt es also keine großen Unterschiede innerhalb einer Kommune, aber je nach Wohnungsmarktsituation große Unterschiede zwischen den Gemeinden. Die Neubewertung wird zu einem drastischen Anstieg der Grundsteuerwerte führen, der durch eine entsprechende Absenkung der im Grundsteuergesetz festgelegten Steuermeßzahl auf etwa ein Zehntel des bisherigen Wertes ausgeglichen werden soll.

Wo die Immobilienmärkte sich gut entwickelt haben, steigen die Grundstückswerte überproportional an, was wohl nicht in allen Fällen durch kompensierende Hebesatzsenkungen der Gemeinden wieder vollständig ausgeglichen werden dürfte. Und die Eigentümer und Mieter in Gebieten mit weniger dynamischen Grundstücksmärkten werden nicht viel sparen, wenn ihre Hebesätze steueraufkommensschonend angepaßt werden. Letzten Endes bestimmen die Gemeinden über ihr Hebesatzrecht die effektive Steuerlast, und daran ändert die Reform nichts.

Also handelt es sich nur um die längst überfällige steuerliche Neubewertung der Grundstücke? Nicht ganz: Mit der Optionsmöglichkeit für eine Grundsteuer C können die Gemeinden die Baulandspekulation begrenzen, und mit den vorgesehenen Abschlägen von der Steuermeßzahl für sozial orientierte Anbieter von Mietwohnraum wird ein Signal für die bevorstehende Wiedergeburt der Wohnungsgemeinnützigkeit gesetzt. Es bleiben aber Zweifel, ob nicht eine Gelegenheit verpaßt wurde, um mit der Grundsteuer bevölkerungspolitische Impulse zu geben oder die kommunale Finanzausstattung ein wenig gerechter zu gestalten. Und natürlich wird das Bewertungsproblem jetzt nicht ein für allemal gelöst, sondern nur bis zum nächsten Bewertungsstichtag.