© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/22 / 06. Mai 2022

Entlastungspakete der Bundesregierung für die hohen Energiepreise
Kurzfristige Trostpflaster
Jörg Fischer

Der Liter Benzin für umgerechnet einen Euro, Diesel für 1,30 Euro. Strom, billiger als zu Kohl-Zeiten: die Kilowattstunde (kWh) für Privathaushalte gibt es für 13 Cent. Da kann ein Durchschnittsverdiener im Sommer die Klimaanlage laufen lassen und im Winter ordentlich heizen und warm duschen. Industriestrom kostet sieben Cent – und das trotz Ukraine-Krieg, Rußland-Sanktionen, den Nachwirkungen von zwei Jahren Corona-Einschränkungen und einer Energie-Inflationsrate von 32 Prozent. Deutsche Verbraucher und Unternehmer können von solchen Frühjahrs­preisen wie in den USA nur träumen.

Aber bald naht Rettung: Die Ampel-Koalitionäre haben ihr „Entlastungspaket 2“ auf den Weg gebracht – zusätzlich zum um 200 auf 1.200 Euro gestiegenen Arbeitnehmer-Pauschbetrag, dem um 363 auf 10.347 Euro erhöhten Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer und der sensationellen Energiepreispauschale von 300 Euro, die natürlich versteuert wird. Das kommende „Entlastungsvolumen beträgt zusammengenommen deutlich mehr als 30 Milliarden Euro“, verspricht die Bundesregierung. Die Abschaffung der verbliebenen EEG-Umlage von 3,723 Cent pro kWh ist bei Strompreisen zwischen 40 und 50 Cent nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Tankrabatt ist spürbarer: Benzin wird 30 Cent je Liter billiger, Diesel um 14 Cent, denn die deutsche Energiesteuer wird auf das EU-Mindestmaß abgesenkt. Zudem entfällt auch die 19prozentige Mehrwertsteuer für diese Kraftstoffabgaben. Damit könnten sommerliche Autoreisen erschwinglicher werden – wenn nicht der EU-Boykott gegen russisches Öl jede Entlastung zunichte macht.

Und es gibt ein weiteres Problem: Die Maßnahme soll nur für Juni bis August gelten. Im Herbst kommt dann der Preisschock, denn wie lange kann der Finanzminister auf die Milliarden-Einnahmen aus Energie- und der anteiligen Mehrwertsteuer verzichten, wenn an anderen Stellen nicht eingespart wird? Und wird die Brüsseler Sanktionsschraube (Stichwort: Erdgas) weiter angezogen und der steuerzahlenden Industrie ihr Rohstoff entzogen, müssen noch ganz andere soziale und wirtschaftliche Härten abgefedert werden. Beim sommerlichen Neun-Euro-Ticket für den ÖPNV stellt sich außerdem die Frage: Wer will in den überfüllten Zügen zur Arbeit oder gar in den Urlaub fahren?