© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/22 / 06. Mai 2022

Filmkritik The Wicker Man – Final Cut
Heidnische Kulte
Werner Olles

The Wicker Man“ (GB, 1973) beginnt ähnlich wie der ein Jahr zuvor in Triest gezeigte „Doomwatch“ von Peter Sasdy: Auf einer kleinen abgelegenen Insel im Nordwesten von Schottland landet ein Polizeibeamter, um Nachforschungen anzustellen. Während sich in „Doomwatch“ die Umweltzerstörung als die Wurzel des Übels entpuppt, schlägt „The Wicker Man“ jedoch bald eine gänzlich andere Richtung ein und kommt zu einem Thema, das zwar auch schon in Horrorfilmen angeschnitten worden ist, aber doch wohl noch nie mit so erbarmungsloser Konsequenz bis zum bitteren Ende. Tatsächlich verzichtet Regisseur Robin Hardy in seinem Debütfilm auf ein Happy-End.

Die Story von Drehbuchautor Anthony Shaffer („Frenzy“) ist konzentriert angelegt. Der schottische Polizeibeamte Sergeant Howie (Edward Woodward) sucht nach der spurlos verschwundenen zwölfjährigen Rowan Morrison. Auf der Insel angekommen, bemerkt Howie mit einiger Verwunderung, daß Kirche und Friedhof völlig verwahrlost sind. Als gläubiges Mitglied der Church of Scotland ist er schockiert, als er feststellt, daß die Bewohner der Insel religiös total indifferent sind und unbefangen sexuellen Ausschweifungen nachgehen. Von dem jungen Mädchen will keiner etwas gesehen oder gehört haben. Er kann jedoch nachweisen, daß sie die Dorfschule besucht hat, worauf die Lehrerin (Diane Cilento) behauptet, das Mädchen sei kürzlich gestorben. Beim Öffnen des Sarges findet Howie aber nur einen Hasen.

Der Herr der Insel, Lord Summerisle (Christopher Lee), erschwert Howies Ermittlungen nach Kräften, während Willow McGregor (Britt Ekland), die freizügige Tochter des Pensionsinhabers, ihn nach allen Regeln der Kunst zu verführen versucht. Nach und nach kommt Sgt. Howie gleichwohl der Wahrheit nahe: Die Insulaner verehren keltische Naturgottheiten, denen sie das ahnungslose Mädchen vielleicht geopfert haben könnten. Die Lösung des Falls kommt jedoch überraschend.

„The Wicker Man“ ist ein erfreulich origineller und konsequenter Film, der seine zahlreichen Auszeichnungen verdient hat.Fast fünfzig Jahre nach seiner Entstehung wurde er als Final Cut erstmals in deutscher Sprache synchronisiert. Als Bonus enthält die DVD unter anderem ein Interview mit Robin Hardy und ein Video-Essay des Filmwissenschaftlers Marcus Stiglegger.

DVD/Blu-ray: The Wicker Man. Studiocanal 2022, Laufzeit etwa 90 Minuten