© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/22 / 06. Mai 2022

Gegen die Islamisierung unserer Kultur
Vor zwanzig Jahren wurde der niederländische Politiker Pim Fortuyn von einem linksextremen Fanatiker in Hilversum ermordet
Thomas Schäfer

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts galten die Niederlande als fortschrittlichster Staat Europas und Hort des Liberalismus und Pluralismus. Andererseits machte sich aber auch eine wachsende Unzufriedenheit in weiten Teilen der Bevölkerung breit. Verantwortlich hierfür waren vor allem die Zumutungen durch den Multikulturalismus, die Massenimmigration und den politischen Islam sowie der Unwillen der etablierten Parteien, sich damit überhaupt auseinanderzusetzen. Dazu kam das Treiben von militanten Tierschützern, welche Tausende kleine Landwirte mit ruinösen Klagen oder gar Anschlägen terrorisierten.

Vor diesem Hintergrund vollzog sich der kometenhafte politische Aufstieg von Wilhelmus Simon Petrus Fortuijn (später Pim Fortuyn). Der promovierte Soziologe sympathisierte zunächst mit dem Marxismus, entwickelte dann aber in den 1990er Jahren gegenteilige Positionen und eine extrem kritische Haltung gegenüber der Monarchie und dem sozialliberal-christdemokratisch geprägten Regierungssystem in Den Haag. Davon zeugen Veröffentlichungen wie „An das Volk der Niederlande“ (1992) und „Herrenlose Gesellschaft“ (1995). Denen folgte 1997 „Gegen die Islamisierung unserer Kultur“. Als bekennender Homosexueller fühlte sich Fortuyn schließlich auch ganz persönlich bedroht, als ein aus Marokko stammender Imam in Rotterdam predigte: „Die Schwulen müssen bekämpft werden; sie sind eine Gefahr für den Frieden.“ Hieraus resultierte sein Entschluß vom August 2001, in die Politik zu gehen und für die im Mai 2002 stattfindenden Parlamentswahlen zu kandidieren. Dabei stand er zunächst an der Spitze der Liste der bürgerlichen Protestpartei Leefbaar Nederland (LN). Allerdings führten Fortuyns Aussagen über die muslimische Religion bald zum Bruch mit der LN. So meinte er im Interview mit De Volkskrant, der Islam sei „eine zurückgebliebene Kultur (...) Überall wo der Islam das Sagen hat, ist es einfach nur schrecklich.“ Und das Rotterdams Dagblad zitierte Fortuyn mit den Worten: „Den Islam sehe ich als eine außerordentliche Bedrohung an, als eine feindliche Gesellschaft.“

Trotz des Mordanschlags zog seine Partei ins Parlament ein

Nach der Loslösung von der LN avancierte der charismatische Sozialwissenschaftler im Februar 2002 zum Spitzenkandidaten seiner eigenen Lijst Pim Fortuyn (LPF). In dieser Eigenschaft versprach er beispielsweise: „Wir wollen das Land den Menschen im Land zurückgeben! (...) Vorläufig keine Asylanten und eine strikte Regelung des Familiennachzugs.“ Außerdem richtete er nun auch folgende Aufforderung an die Bevölkerung der Niederlande: „Wählt mich, dann dürft ihr Pelzmäntel tragen!“

Am Abend des 6. Mai 2002, also neun Tage vor dem Votum, ermordete der Tierschutzaktivist Volkert van der Graaf den Politiker auf dem Parkplatz vor dem Gebäude des staatlichen Rundfunks in Hilversum kaltblütig mit sechs Schüssen aus nächster Nähe. Nach seiner Verhaftung gab das Gründungsmitglied der Umweltschutzorganisation Vereniging Milieu-Offensief (VMO), welche vom niederländischen Staat mit 300.000 Gulden gesponsert worden war, zunächst an, es habe die Wiederbelebung des Nerzhandels in Holland verhindern wollen. Während des späteren Prozesses, in dem er letztlich zu 18 Jahren Haft verurteilt wurde, behauptete van der Graaf dann freilich, ihm sei es darum gegangen, „Muslime zu schützen“.

Dabei spricht einiges dafür, daß der Mord an Fortuyn hätte verhindert werden können, denn der „Tierrechtler“ war zwei Jahre lang von der Polizei und wohl auch dem Geheimdienst Binnenlandse Veiligheidsdienst (BVD) überwacht worden, weil er gedroht hatte, eine prominente Persönlichkeit zu töten. Zudem stand van der Graaf unter Verdacht, in den Mord an Chris van de Werken verwickelt gewesen zu sein. Der bis heute nicht ermittelte Täter hatte den Umweltinspekteur von Noordwest Veluwe, welcher angeblich zu sehr auf seiten der Landwirte stand, am 22. Dezember 1996 mit drei Schüssen in den Rücken exekutiert. Daß es sich bei van der Graaf tatsächlich um keinen Psychopathen, sondern einen eiskalten ideologisch gesteuerten Killer handelte, belegen jedenfalls auch die bei ihm gefundenen Grundrisse der Häuser von drei weiteren Kandidaten der LPF, welche offenkundig der Vorbereitung künftiger Attentate dienten.

Bei den Wahlen kurz nach dem Tode Fortuyns erhielt die LPF auf Anhieb 17 Prozent der Sitze in der Zweiten Kammer des Parlaments. Dies war das höchste Ergebnis, das jemals in den Niederlanden von einer neuen Partei erzielt wurde. Anschließend konnte die LPF vier Minister im Kabinett des Christdemokraten Jan Peter Balkenende stellen. Dem folgten dann allerdings ein sukzessiver Niedergang und die Selbstauflösung zum 1. Januar 2008. Trotzdem hatte Fortuyn 2002 den Weg für andere niederländische Rechtsparteien geebnet, deren Wählerpotential sich in der Folgezeit bei etwa 20 Prozent einpendelte.

Zu den Anhängern des eloquenten LPF-Gründers zählte unter anderem der Regisseur Theodoor van Gogh. Dieser übte seinerseits ebenfalls Kritik an der multikulturellen Gesellschaft und dem Islam. So drehte er den spektakulären Film „Submission“, welcher die Unterdrückung der Frauen in der muslimischen Welt thematisierte. Van Gogh arbeitete zudem auch an einer Dokumentation über die Ermordung Fortuyns, konnte selbige jedoch nicht mehr vollenden, weil er am 2. November 2004 von dem marrokanischstämmigen Islamisten Mohammed Bouyeri auf offener Straße niedergeschossen und anschließend die Kehle durchschnitten. Bemerkenswerterweise stand dieser Attentäter ebenfalls unter Beobachtung durch die niederländischen Sicherheitsbehörden, darunter auch des Geheimdienstes Algemene Inlichtingen- en Veiligheidsdienst (AIVD).