© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/22 / 06. Mai 2022

Bauen soll nun noch viel teurer werden
Das UN-Umweltprogramm fordert zum Sandsparen auf / Ein unterschätzter strategischer Rohstoff wie Süßwasser
Paul Leonhard

Erst die Corona-Krise, dann der Ukraine-Krieg – der Materialmangel in der Bauwirtschaft hält an. Selbst Sand wird knapp (JF 7/21). Jährlich werden weltweit 40 bis 50 Milliarden Tonnen Sand abgebaut. Damit werden die frei verfügbaren Reserven des nach Wasser wichtigsten Rohstoffes immer geringer. Auch weil Sand nicht gleich Sand ist. Das wissen die Wüstenländer, die zum Bauen Sand importieren müssen, weil ihrer nutzlos ist. Für den Bau der künstlichen Insel Palm Jumeirah vor Dubai wurden 385 Millionen Tonnen verwendet, 150 Millionen Tonnen kamen aus Australien. Und für Hochhäuser taugt der Wüstensand nicht. Der Wind hat dafür gesorgt, daß die Körner klein, glatt und gleichförmig sind und daher nicht ineinandergreifen. Dadurch bilden sich im Frischbeton Hohlräume, was sich negativ auf die Festigkeit auswirkt.

Der ölfinanzierte Bauboom der Araber sorgt für Sandimporte aus aller Welt. Am meisten giert China nach dem Baustoff. Ein gutes Geschäft für die Abbaufirmen. 30 Milliarden Tonnen Sand werden jährlich für die Betonherstellung verwendet, gefördert aus Kiesgruben, Flußbetten oder durch Absaugen aus dem Meer – Tendenz steigend. Schon 2016 verbrauchten die Menschen doppelt soviel Sand, wie alle Flüsse an Nachschub liefern.

In ihrem jüngsten Bericht „Sand und Nachhaltigkeit: zehn strategische Empfehlungen zur Abwendung einer Krise“ fordert daher das UN-Umweltprogramm (Unep) Konsequenzen. Werde der Sandabbau nicht reguliert und verteuert, zerstöre der weltweite Bauboom die Ökosysteme, schade der biologischen Vielfalt, trage zur Versalzung von Grundwasser und Erosion bei, was das Risiko von Sturm- und Überschwemmungsschäden erhöhe, warnt die Unep. Drei von vier Stränden drohen zu verschwinden. In Indonesien sind ganze Inseln betroffen, auch weil ein Strand viel Wellenenergie abpuffert. In Marokko sollen bereits die Hälfte der Strände widerrechtlich abgetragen worden sein. Und auf Jamaika stahlen Sanddiebe für den Bau einer künstlichen Bucht in einem neuen Luxus-Resort den ganzen Strand eines Fischerdorfs mit schwerem Gerät.

Doch Alternativen zum Sand wurden bereits entwickelt. Allerdings gibt es noch keine massentauglichen. So würde der Zusatz von Flugasche dafür sorgen, daß auch an den feingeschliffenen Sandkörnern der Wüste der Zement anhaftet, aber der Zusatzstoff fällt bei der Verbrennung von Kohle an – also keine Option für die Zukunft, ebensowenig der Einsatz von Polyesterharzen aus Erdöl als Bindemittel. Die Münchner Firma Multicon hat ein Granulatverfahren entwickelt, um aus Wüsten- Bausand herzustellen (JF 18/20). Experimentiert wurde mit Bakterien, die manche Sandsteine regelrecht zusammenkleben, weil sie Sandkörner zementieren. Ein Industriedesigner hat eine Technik entwickelt, die Wüstensandpartikel mit Hilfe von gebündeltem Sonnenlicht verschmelzen kann.

Bleibt die Bauschutt-Nutzung. Der könnte getrennt, geschreddert und fein gemahlen wiederverwendet werden. Aber das kostet Energie, Zeit, Geld, und nicht einmal die ideale Körnung des quarzhaltigen Sandes wird erreicht. Wie er über Tausende von Jahren aus verwittertem und erodiertem Gestein entstand und dann durch die Flüsse ins Meer transportiert wurde.

Sand müsse als strategischer Rohstoff eingestuft werden, der nicht nur zum Bauen benötigt wird, sondern auch wichtige Umweltfunktionen habe, heißt es im Bericht. So könne der Abbau von Sand an Flußmündungen, Stränden, in Küstennähe und auch in Wüsten problematisch sein. Die Länder werden aufgefordert, Bestandsaufnahmen durchzuführen und die Kreislaufwirtschaft zu fördern. Die Sandgewinnung an Küsten sollte komplett verboten, für den Abbau unter dem Meer internationale Standards entwickelt werden, so die Unep. Auch könnte es wie beim Öl ein Fördermaximum geben.

Unep-Report „Sand and Sustainability: 10 strategic recommendations to avert a crisis“: unep.org

Foto: Luftaufnahme der Insel Palm Jumeirah: Verschwendung?