© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/22 / 06. Mai 2022

Unser Planet an seinen Grenzen
Franz Alt und Ernst Ulrich von Weizsäcker warnen vor dem Untergang, aber ohne ihre Hoffnung aufzugeben
Volker Kempf

Die alljährlichen Weltklimagipfel sind inzwischen Großereignisse. So mußten in Glasgow (COP26) für die 30.000 Teilnehmer und Gäste Kreuzfahrtschiffe belegt werden, weil es nicht genügend Hotelbetten gab. Ägypten hat für die COP27 im November die Touristenhochburg Scharm El-Scheich am Roten Meer ausgewählt. Um die Sache selbst in den Fokus zu bekommen, müssen aber alarmistische Töne angestimmt werden. Der Umweltschützer Franz Alt und der Physiker Ernst Ulrich von Weizsäcker versuchen das in ihrem Buch „Der Planet ist geplündert“. Doch wenn die Erde geplündert wäre, bräuchte es keinen Klimaschutz und erst rechte keine Klimagipfel mehr.

Es gäbe kein Öl, Gas und keine Kohle mehr, bei deren Verbrennung CO2 freisetzt wird, das nach vorherrschender Meinung das Weltklima mit Hilfe der Sonnenstrahlung aufheizen soll. Ohne Kerosin könnte niemand zu den Klimakonferenzen fliegen. Also was nun: Ist der Planet geplündert oder wird der Planet weiter erhitzt? Alt selbst schreibt, daß sich die warnenden Stimmen, etwa Dennis Meadows mit „Die Grenzen des Wachstums“ (1972; JF 9/22) oder Herbert Gruhl mit „Ein Planet wird geplündert“ (1975) geirrt hätten; es sei mehr Öl vorhanden als angenommen – und das Weltklima kann weiter aufgeheizt werden. Man hätte das Buch also „Ein Planet wird aufgeheizt“ nennen können, aber man wollte auf den Gruhl-Klassiker anspielen, der auf mehreren Seiten würdigt wird.

Auch Alts Rezept „Weniger ist mehr“ stammt noch von Gruhl in den 1980er Jahren. Das meint eine freiwillige Bescheidenheit, öfter radeln statt in der Welt herumzufliegen, mehr in Bio-Nahrung als in sonstige Konsumgüter zu investieren, lieber eine Kulturveranstaltung oder ein gutes Buch statt ständiger Medienkonsum. Bis auf das energiefressende Internet also nix Neues unter der Sonne. Außer, daß die Sonnen- und Windkraft für hinreichend Strom ohne Kohle und Kernkraft sorgen sollen.

Der 83jährige Alt ist Realist genug, auch das Weltbevölkerungswachstum zu registrieren. Er ist Journalist und passionierter Zauberer. Das erhöht das Verständnis dessen, was Alt schreibt. Er will bewegen, er will Hoffnung machen. Deshalb der Untertitel: „Was wir jetzt tun müssen“. Es grenzt aber an Zauberei, daß der Planet schon geplündert sein soll, und Simsalabim wird eine Lösung nach der anderen aus dem Hut gezaubert. Das bleibt stets beim Beispielhaften, dies aber um so effektvoller. Mit dieser Methode wurde Alt zu einem der erfolgreichsten Autoren Deutschlands, wenn man die Auflagen seiner Bücher betrachtet.

Aber was wäre eine Zaubershow ohne Bilder? Alt mit Windkraftanlage, Alt mit Angela Merkel, Alt auf einer „Fridays for Future“-Demo. Damit ist mehr gesagt als mit 1.000 Worten. Merkel hat 2011 acht AKWs abgestellt und den völligen Atomausstieg bis Ende 2022 durchgesetzt. Die Protestjugend macht Druck, um das Weltklima zu retten. Will aber die Mehrheit auf Fleisch, Führerschein und Internet verzichten? Glas oder Stahl zu schmelzen ist energieintensiv. Das hat mit Naturgesetzen zu tun, weniger mit fehlendem politischem Willen. Der Wille ist da, er wird auch auf der COP28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten – mit jährlich 15,2 Tonnen CO2-Austoß pro Kopf ein größerer Klimasünder als die USA – wieder demonstriert werden. Es wird noch manches Buch erscheinen, nach dem alles schon zu spät ist – sei es wegen der Eigendynamiken bei der Plünderung der Erdvorräte oder wegen der Klimaerhitzung. Dann helfen auch keine Zaubertricks weiter, dann ist guter Rat teuer.

Franz Alt, Ernst Ulrich von Weizsäcker: Der Planet ist geplündert – was wir jetzt tun müssen. S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2022, gebunden, 208 Seiten, 22 Euro