© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/22 / 06. Mai 2022

Leserbriefe

Zu: „Moskaus Drohungen parieren“ von Stefan Scheil, JF 18/22

Rußland ist jetzt Chinas zweites Nordkorea

Völlig richtig lenkt Stefan Scheil unseren Blick darauf, daß China den Kampf um die Weltmachtrolle Nummer eins ausgerufen hat und eine neue Basis für eine von allen Großmächten akzeptierte Weltordnung gefunden werden muß. Das Problem aber: Davon sind wir verdammt weit entfernt. Die fortschreitende Eskalation des Konflikts zwischen Rußland und dem Westen nützt allein China. Die Rußlandpolitik der Nato seit 1991 ist genauso gescheitert wie ihre Afghanistan-Politik seit 2001. Binnen der letzten neun Monate sind diese beiden Länder den Chinesen wie reife Früchte in den Schoß gefallen. Soll das so weitergehen? Wenn jetzt immer mehr Politiker des Westens – und am schrillsten Annalena Baerbock – erklären, daß man mit Putin aufgrund seines schlechten Charakters nicht mehr verhandeln könne, so fügt dieser sich dadurch immer geschmeidiger in die geopolitische Agenda des neuen Kaisers von China namens Xi Jinping ein.

Dr. Thomas Grüning, Stadtroda




Ulbricht-Masche: Niemand hat die Absicht

Es enttäuscht mich, daß jetzt auch die JF auf den bellizistischen Kurs der Leitmedien eingeschwenkt ist. Besonders schade fand ich den Leitartikel des sonst hochgeschätzten Stefan Scheil, wo wieder die Behauptung aufgestellt wird, es habe nie Zusagen an Rußland gegeben, die Nato nicht nach Osten auszuweiten. Für mich ist das eine schlichte Falschaussage, was etwa die Sonderausgabe vom ARD-„Weltspiegel“ zur Krim-Krise vom 9. März 2014 belegt, in der ein Presseauftritt von Deutschlands Außenminister Hans-Dietrich Genscher zu sehen ist, der 1990 neben dem US-Außenministern unwidersprochen erklärte, daß keine Absicht bestünde, die Nato auszudehnen, und daß sich dies nicht nur auf die ehemalige DDR, sondern auf ganz Osteuropa beziehe. Klarer kann eine Zusage nicht gegeben werden, wobei auf einem ganz anderen Blatt steht, mit welchen anderen rechtlichen Argumenten dann die Gültigkeit oder Verbindlichkeit der Aussage bestritten wird. 

Michael Gies, Bamberg




Seit’ an Seit’ mit Annalena Baerbock

Fiat iustitia – pereat mundus: Auf diese Sentenz läuft der Artikel am Ende hinaus. Im gleichen Sinne tönte unsere verehrte Frau Außenministerin am 27. April 2022, als sie im Bundestag auf die Frage, welche Rolle bei der Entscheidung über die Lieferung schwerer Waffen die Gefahr eines Atomkrieges gespielt habe, sich folgendermaßen äußerte: Welche weiteren Schritte Rußland in dem Krieg noch gehen werde, liege allein im Ermessen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, und dann wörtlich ergänzte: „Deswegen können wir auch nichts komplett ausschließen.“ Wie Stefan Scheil betonte auch sie sinngemäß, daß sich die westliche Gemeinschaft in dieser Sache nicht spalten lassen dürfe. Der Leitartikler der JF und die grüne Frontfrau stehen also in einer für die Nation existentiellen Frage auf einer Seite.

Dr. Matthias Gubitz, Göttingen




Das alles und noch viel mehr – wofür?

Welchen Nutzen zieht Deutschland aus der Beteiligung am Krieg gegen Rußland? Waffenlieferungen an die Ukraine bedeutet Beteiligung am Krieg gegen Rußland. Der Teil des deutschen Volkes, welcher noch nicht durch US-Feindpropaganda meschugge geworden ist, braucht und will keinen Feind, und schon gar nicht in Rußland. Und das alles für die Ukraine? Stand dieses Land bisher nicht neben Albanien ganz oben auf der Liste der korruptesten Länder Europas?

Heinz-Otto Pessel, Nordgermersleben






Zu: „Motivation ist das erste“ von Prof. Dr. rer. nat. habil. Harald G. Dill, JF 18/22

Bundeswehr, oder: Endlich ein Volltreffer

Der Artikel ist ein Volltreffer! Der Autor beschreibt das Thema nicht nur aus der Sicht des Wissenschaftlers, wie viele andere, sondern auch aus der praktischen Erfahrung eines Reserveoffiziers. Das Problem „Bundeswehr“ wird eben nicht mit 100 Milliarden Euro gelöst werden, wir haben hier ein gesellschaftliches Grundproblem – und das beschreibt Harald Dill detalliert sachlich. Schon mit dem derzeitigen Etat der Bundeswehr ließe sich deutlich mehr in Richtung Ausrüstung und Kampfkraft erreichen. Aber eben nicht mit diesen Strukturen – mit einem überbordenden Apparat von zivilem und militärischem Personal und Staatssekretär*innen sowie Minister*innen ohne tieferen Sachverstand. Es kann nicht sein, daß der Generalinspekteur in der Rangfolge des Ministeriums die Nummer 3 ist. Er müßte über den Staatssekretären der erste Stellvertreter des Ministers sein (ohne Berücksichtigung eines Parteibuchs). Nur Führungsqualität sollte überzeugen.

Heiner Bertram, Oberstleutnant d.R., Berlin




Geld allein macht noch keine Armee

Der Beurteilung und Bewertung des Zustandes unserer Bundeswehr durch Professor Dill muß ich als Oberst d.R. (Fallschirmjäger) leider in allen Punkten zustimmen. Den Begriff „Armee“ verdient diese Organisation schon lange nicht mehr. Zu verantworten hat dieses Desaster natürlich die politische „Führung“, allen voran die Dauerkanzlerin Merkel, doch das wäre so nicht gekommen, wenn die Herren Generale nicht alles abgenickt und zugelassen hätten. „Hoffentlich muß ich keinen Befehl geben, der meiner Karriere schadet“, war wohl der erste Gedanke dieser Herren, wenn sie ein Kommando in Afghanistan übernehmen mußten. Wenn Christian Lindner meint, daß er einfach mit 100 Milliarden Euro die schlagkräftigste Armee in Europa aufbauen kann, beweist er damit doch nur völlige Ahnungslosigkeit! Mit Geld ist dies nicht zu machen, sondern mit Erziehung und Ausbildung, beides Voraussetzung für eine gute Motivation. Dies ist ein Generationenprozeß, der entsprechende Eltern, vor allem aber geeignete Lehrer voraussetzt. Haben wir noch so viel Zeit?

Erwin Reus, Rektor i. R., Bamberg






Zu: „Kriegsverbrechen mit Ansage“ von Stefan Scheil, JF 18/22

Polens beschwiegene Zwischenkriegszeit

Vielen Dank für diesen Artikel, der zu einer wichtigen Richtigstellung des Polenbildes vor Beginn des Zweiten Weltkrieges beiträgt. Gilt doch bis heute die Geschichtsklitterung, wonach ein friedliches und demokratisches Polen von einem gewalttätigen Deutschen Reich grundlos brutal überfallen wurde. Tatsächlich hatte Polen bereits im Frühjahr 1939 – ein halbes Jahr vor Deutschland – die militärische Mobilmachung durchgeführt. Der kriegsentschlossene Oberkommandierende der polnischen Armee Marschall Rydz-Smigly hatte sich bereits in einem Ölgemälde als Sieger porträtieren lassen, wie er durch das besiegte Berlin ritt. Im Polen vor dem Zweiten Weltkrieg wurden nicht nur deutsche Minderheiten terrorisiert, sondern auch Ungarn, Ukrainer und vor allem Juden.

Hartmut Issmer, Erlensee




Jalta auf dem Fundament von 1848

Auf der Suche nach einem polnischen Großreich, das weite Teile Rußlands, des Baltikums, der heutigen Ukraine sowie der Slowakei und der Tschechischen Republik sowie nach Vorstellungen polnischer Nationalisten alle östlich der Elbe gelegenen Gebiete des Deutschen Reiches umfassen sollte, war Polen in den Augen vieler, insbesondere englischer Politiker, der aggressivste Staat nach Ende des Ersten Weltkrieges in Europa, den man im heutigen Sprachgebrauch als „Schurkenstaat“ bezeichnen könnte. In der Folge verwickelte Polen sowohl Litauen, die Sowjetunion, die neu gegründete Tschechoslowakei in kriegerische Konflikte, als es auch für die Aufstände im deutschen Oberschlesien verantwortlich zeichnete. Der Haß auf alles Deutsche war bereits im Slawenkongreß von 1848 in Prag, auch „Panslawistenkongreß“ genannt, zementiert worden. Dort hatte der Prager Professor František Palacký die Zurückdrängung alles Deutschen hinter eine Linie Stettin-Triest gefordert, die dann auch als Sprachgrenze fungieren sollte. Diese panslawistische Forderung wurde dann in der Konferenz von Jalta nur bestätigt und war somit nicht das Ergebnis von neuen Verhandlungen der Siegermächte über die Zukunft Deutschlands.

Herbert Sohn, Wetter






Zu: „Parallelen zu George Floyd liegen auf der Hand“ von Michael Dienstbier, JF 18/22

Implantierter Kampfbegriff

Die Terminologie mit dem Begriff „Afroamerikaner“ will mir bis zum heutigen Tag nicht einleuchten. Sprechen wir – was dann konsequent wäre – doch auch nicht bei US-Bürgern von Arab-, Asia- oder Euroamerikanern. Wird jedoch die Begrifflichkeit des Afroamerikaners verwendet, wird diese Ethnie gegenüber den anderen Einwanderungsgruppen besonders hervorgehoben, was von den Linksideologen für deren Rassenkampf gewollt und als Kampfbegriff implantiert worden ist.

Dr. Ullrich Westernhagen, Burgwedel






Zum Forum: Pro & Contra zur Legalisierung von Cannabis, von Lukas Steinwandter & Mathias Pellack, JF 16/22

Schwere psychische Störungsbilder

Bedauernswert bei beiden Argumentationslinien ist, daß beide Autoren die Realität der hirnphysiologischen und psychischen Gegebenheiten völlig außer acht lassen. Daher bleibt ihnen lediglich der Rückgriff auf die Historie von Prohibition, unvollständigen und kriminologisch begründeten Regulierungsversuchen, die jeweils unter Parteien „ausgehandelt“ wurden – auch unter dem Aspekt „kein Gesichtsverlust“. Doch auf die Entstehung der schweren psychischen Störungsbilder wird nicht eingegangen. Den Beginn dieser Art „politischer Debatte“ habe ich in den 1980er Jahren als stellvertretender Leiter einer stationären Drogeneinrichtung in Hessen selbst erlebt anläßlich der politisch erwünschten Substitutionsbehandlung mit Methadon, in der das Lebensalter und die entsprechenden psychosozialen Entwicklungsbedingungen der Konsumenten unbeachtet geblieben sind, weil das politisch so gewollt war. Wenn sich jedoch Lernprozesse in Regelkreisen vollziehen, die mit jeder Wiederholung stabilisiert werden, und wenn Suchtverhalten ein erlernter Prozeß ist, dann entspricht es der Wirklichkeit im Gehirn der Konsumenten, daß dort jeweils die entsprechenden Synapsen aktiviert werden, der Konsum als Verhalten implantiert wird und eine Funktion im Alltag bekommt. Die Wirkung von Cannabis im Gehirn beflügelt aber die psychische Entwicklung keinesfalls in Richtung Eigenständigkeit im Denken, Selbstverantwortung und Selbstreflexion als Teile des gesunden Entwicklungsprozesses. Nach Forschungsergebnissen der Entwicklungspsychologie und der Hirnforschung ist die physiologische Hirnreife unter günstigen psychosozialen Entwicklungsbedingungen im Alter von circa 25 Jahren abgeschlossen. Da ist es geradezu hirnrissig und ein gesundheitliches Vabanquespiel mit Blick auf die Zukunft, ein weiteres Suchtmittel politisch zu fördern.

Dipl.-Psych. Gustav J. Brudy, Stockstadt am Rhein






Zur Meldung: „Warschau: Bomben sprengten das Flugzeug“, JF 16/22

Pilot verursachte Smolensker Absturz 

Der Autor (ru) vermeldet hier Sprengstoffspuren an diversen verkohlten und verrußten Trümmerteilen des abgestürzten Flugzeugs. Allein, keiner der russischen oder polnischen Flugunfallberichte spricht bis dato von Ähnlichem. Diese kommen dagegen zu einem anderen und wesentlich plausibleren Ablauf des Unfallgeschehens. Der Militärflughafen in Smolensk besaß keine Blindlandeeinrichtung und war deshalb geschlossen. Der kommandierende Militärpilot aber wurde trotz des schlechten, nebligen Wetters in Smolensk gezwungen beziehungsweise wurde ihm der Befehl erteilt (von höheren mitfliegenden Chargen), trotzdem zu landen. Der Pilot flog zwei Landeanflüge, die jeweils abgebrochen wurden, da der Anflug zu hoch erfolgte. Beim dritten war er dann zu tief. Welcher vermeintliche Attentäter hat diesen Ablauf geahnt und die Sprengladungen nicht schon beim ersten Anflug gezündet? Mit anderen Worten, hier quakt eine Zeitungsente so laut, daß die Buchstaben wackeln. So ein Quatsch sollte nicht in der JF stehen!

Walter Hofmann, Peenehagen






Zu: „Eine gute Portion Romantik“ von Stefan Scheil, JF 16/22

Subversive Rolle von Adolf A. Joffe

Internationale Diplomatie folgt eigenen Gesetzen. Das wird hier nicht deutlich genug. Schließlich ging es in Rapallo formaliter und explizit um die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion. Solche Beziehungen gab es bereits von April bis Anfang November 1918. Aber nur bis zu dem Zeitpunkt, als Adolf Abramowitsch Joffe, der zwar (wie auf dem Foto neben Grigorij Tschitscherin zu sehen ist) der deutschen Delegation in Rapallo freundlich begegnete, am Ende des Ersten Weltkrieges als sowjetischer Botschafter in Berlin subversive Tätigkeiten zur Förderung einer bolschewistischen Revolution in Deutschland unternommen hatte. Deswegen wurde er von Friedrich Ebert, der erst wenige Tage an der Spitze des Rates der Volksbeauftragten stand, samt Botschaftspersonal umgehend des Landes verwiesen. Von November 1917 bis Januar 1918 war Joffe übrigens Leiter der sowjetischen Delegation in Brest-Litowsk, bevor er dort von Trotzki abgelöst wurde. In Rapallo verstand man sich wieder bestens.

Dr. Matthias Kordes, Recklinghausen