© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/22 / 06. Mai 2022

Kneipenromantik statt Computernerds
E-Sport-Team Eintracht Spandau inszeniert sich im Stil der Traditionsclubs
Eric Steinberg

In der Kneipe herrscht Bierlaune. Während von Zeit zu Zeit Fangesänge angestimmt werden, schwenken andere Fahnen und präsentieren stolz die Farben ihres Clubs. Auch in Trikots wird das eigene Team angefeuert. Was hier nach einem geselligen Samstagnachmittag mit Fußballfans klingt, ist in Wirklichkeit der Hype um das im November 2021 gegründete E-Sport-Team Eintracht Spandau. Um die siebenköpfige Zockermannschaft hat sich mittlerweile eine breite Fanschar versammelt, die der deutschen Gaming-Szene frischen Wind verpaßt. 

Mittlerweile hat der Club bei Youtube 104.000 Abonnenten

Denn: Eintracht Spandau ist erfolgreich. Seit dem letzten Jahr spielen sie in der Prime League, der Liga für Spieler des Multiplayer-Fantasyspiels „League of Legends“. Die Teilnehmer kommen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Nach einem schwachen Start mit vier Niederlagen zeigten die Berliner es den restlichen Ligateilnehmern und schafften es in der ersten Saison gleich ins Finale gegen das Team Gamerlegion. 

Das Duell am 20. März ging mit 0:3 verloren, jedoch können die Spandauer trotzdem ein positives Fazit ziehen. Die Saisonstatistik: 15 Siege und neun Niederlagen. Alle Spiele wurden dabei live auf der Streamingplattform Twitch ausgestrahlt und erreichten Tausende Zuschauer. Das Besondere an den Newcomern: Die Eintracht wurde eigentlich nur als Spaßprojekt des Youtubers HandOfBlood gegründet.

Dieser machte sich in den vergangenen Jahren mit Gaming-Inhalten einen Namen in der Welt der Computerspiele. Mittlerweile hat er knapp 2,4 Millionen Abonnenten auf Youtube, wöchentlich erscheinen neue Videos auf seinem Kanal. In der Welt des professionellen E-Sport ist Maximilian Knabe, wie der Spieler mit bürgerlichem Namen heißt, allerdings kein Neuling. Bereits 2015 gründete er das „League of Legends“-E-Sports-Team Spandauer Inferno, das zum größten Teil aus talentierten Gamern und Youtubern bestand, nur ein professioneller Spieler gehörte zum Team. Nach der Auflösung des Infernos im vergangenen Jahr hat Spandau nun ein neues Team. Der Unterschied: Die Inhalte sind dieses Mal deutlich professioneller und das Konzept neuartig. Knabe inszeniert sein Team gekonnt im Stil traditionsreicher Fußballclubs. Dazu gehören Videos in der Kneipe oder auch bei aufwendig produzierten Pressekonferenzen, die auf dem teameigenen Youtube-Kanal hochgeladen werden. Sogar eigene „Ultras“ gibt es im Umfeld des Clubs. 

Damit die Zuschauer und Fans nicht nur reine Gaming-Inhalte geboten bekommen, sondern auch unterhalten werden, versucht es Eintracht Spandau mit klassischen Formaten wie Highlight-Videos oder Straßenumfragen. Mittlerweile bringen sie es bei der Videoplattform Youtube auf etwa 104.000 Abonnenten. Besonderen Auftrieb verleiht dem Projekt vor allem Knabe selbst, der in der Content-Produktion des Kanals auf seine langjährige Erfahrung in der Szene und sein Millionenpublikum vertrauen kann. Um dem Hype gerecht zu werden, hat das Team hohe Ziele. Spätestens in zwei Jahren, so der Youtuber, wolle man das European Masters-Turnier gewinnen, ein Aufeinandertreffen europäischer Mannschaften in „League of Legends“. Dafür haben sich die Berliner einen namhaften Sponsoren gesichert. Der Chipshersteller Pringles fördert Eintracht Spandau bereits seit dem vergangenden Jahr. 

Auch das restliche Umfeld ist professionell ausgerichtet. Hinter dem Projekt stehen die Agenturen Jung von Matt/nerd und Instinct3 mit deren Gesellschafter Knabe. Daß die Kombination aus langjähriger Youtube-Erfahrung, talentierten Gamern und strukturiertem Marketing in Zukunft zu größerem Erfolg führt, ist also nicht gerade unwahrscheinlich. 

 www.eintracht-spandau.de

Fotos: Eintracht Spandau im Kampfmodus: Spätestens in zwei Jahren wollen die eSportler das European Masters-Turnier gewinnen; „League of Legends“-Wettbewerb: 115 Millionen Menschen spielen das Spiel im Monat