© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/22 / 13. Mai 2022

Landtagswahl in Schleswig-Holstein
Das Debakel von Kiel
Christian Vollradt

Mit zweistelligen Verlusten am vergangenen Sonntag sind die Sozialdemokraten der große Verlierer in Schleswig-Holstein. Kann das die AfD wirklich trösten, die nun zum ersten Mal in ihrer Geschichte aus einem Landtag flog, in dem sie zuvor saß? Oder daß auch andere Parteien, die Grünen beispielsweise oder die FDP, dieses Schicksal schon teilten? Eher nicht. 

Das Debakel von Kiel hat regionale Ursachen, wie der Bundesvorsitzende der AfD nicht müde wurde zu betonen: ein beliebter Ministerpräsident; eine große Zahl von Wählern, denen der Sinn nach allem, aber nicht nach Wechsel stand. Dazu hausgemachte Probleme wie eine zerrupfte Fraktion, ein zerstrittener Landesverband ohne Vorsitzenden und mit zu wenigen, vor allem zu wenigen jungen Mitgliedern. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Der andere lautet: Das Konzept, sowohl bürgerliche als auch Anti-Partei zu sein, stößt endgültig an seine Grenzen. Eine Protest-Stammwählerschaft, die sich von anarchischer Vielstimmigkeit – auch beim aktuell brennenden Thema Ukraine – nicht abschrecken läßt, scheint im (kleineren) Osten stabil, im (größeren) Westen aber bröckelnd zu sein. Kommt es in der Frage des künftigen innerparteilichen Kurses also zum „Showdown“ auf dem Bundesparteitag, wie viele erwarten? Die Erfahrung lehrt, daß in der AfD Streitfragen eher knapp und nur mit wenigen Stimmen Mehrheit entschieden werden. Die Hängepartie dürfte also noch eine Weile weitergehen. Mit Folgen an den Urnen.