© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/22 / 13. Mai 2022

EU will kein Öl mehr aus Rußland importieren
Das Embargo wird überbewertet
Ulrich van Suntum

Die EU will künftig kein Öl mehr aus Rußland importieren. Damit soll Putin ein weiterer Geldhahn zugedreht werden. Immerhin fließt aus Europa täglich fast eine Milliarde Euro für Öl, Gas und Kohle in sein Reich. Kritiker argumentieren, es gebe genügend andere Abnehmer des russischen Öls. Zudem habe Rußland finanziell vorgesorgt. So ist die Staatsverschuldung mit 20 Prozent des BIP viel niedriger als die der Euroländer. Dagegen sei die EU und insbesondere Deutschland stark abhängig von Putins Energielieferungen. Der Schuß könne also leicht nach hinten losgehen. 

Beide Sichtweisen verraten indessen geringe Kenntnis der Funktionsweise von Märkten. Öl ist bekanntlich flüssig, so daß man nicht „Made in Russia“ darauf stempeln kann. Kaum zu verhindern ist also, daß es auf Umwegen doch wieder in die EU gelangt, etwa über importierte Kunststoffe. Wenn China und Indien mehr russisches Öl importieren, werden sie zudem weniger davon anderswo kaufen. Das von ihnen nicht mehr benötigte Angebot steht daher als Ersatz für das russische Öl zur Verfügung. Sowohl die positiven als auch die negativen Embargo-Wirkungen sind demnach begrenzt, zumal Rußland nur fünf Prozent des weltweiten Ölbedarfs deckt. Putin wird letztlich etwas weniger für sein Öl erlösen, während die EU etwas mehr als bisher bezahlen muß. Den Krieg entscheidet das nicht.  






Prof. Dr. Ulrich van Suntum lehrte bis 2020 Volkswirtschaftslehre an der Universität Münster.