© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/22 / 13. Mai 2022

J. D. Vance. Einst schmähte er Trump, nun beschert er diesem einen weiteren Sieg auf dem Weg zu einer zweiten Kandidatur.
Der Geläuterte
Derek Turner

Sollte James David Vance im November Senator von Ohio werden, könnte dies den Kulturkampf in den USA weiter anheizen. Im Jahr 2021 rief er zu einem Programm zur „Ent-Woke-isierung“ auf, bei dem Konservative „die Institutionen der Linken übernehmen und sie gegen diese wenden“ sollten. Erstmal aber hat der 37jährige nun Vorwahlen der Republikaner in seinem Heimatstaat gewonnen, auch dank der Unterstützung durch Donald Trump. 

Trump kann sich damit erneut einen parteiinternen Sieg an die Fahnen heften, was die Chance erhöht, daß er 2024 erneut nach der Präsidentschaft greift. Denn in der Grand Old Party tobt weiterhin der Kampf zwischen den Kandidaten des Parteiestablishments und den von Trump unterstützten Kandidaten, die seine „America First“-Ideen wie Isolationismus statt Interventionismus in der Außenpolitik und die Unterstützung des amerikanischen Arbeiters im Inland am besten vertreten. 

J. D. Vance verkörpert letzteres in besonderer Weise. Im Jahr 2016 veröffentlichte er „Hillbilly Elegie. Die Geschichte meiner Familie und einer Gesellschaft in der Krise “, einen Bestseller, der das generationenübergreifende Schicksal der Familie des Autors und damit auch der weißen amerikanischen Arbeiterklasse erzählt. 

Vance’ Argumentation hat auch ein ethnisches, weißes, nicht jedoch „rassistisches“ Element.

Im Kontrast zu vielen Altersgenossenaus den achtziger Jahren hat Vance es zu etwas gebracht: einen Abschluß in Politikwissenschaft, einen Doktortitel in  Jura und einen Job im Risikokapitalgeschäft bei Paypal-Mitgründer Peter Thiel. Doch all das hat er gegen alle Widerstände aufgrund seiner Herkunft erreicht – denn die Aussichten der Arbeiterklasse in Amerikas altem Kernland waren lange Zeit durch Armut, zerrüttete Familien, schlechte Bildung und Drogen getrübt. Hinter dem mühsamen Aufstieg seiner eigenen Familie in die „Respektabilität“ der Mittelklasse verbergen sich klassenübergreifende kulturelle Mißstände. 

Vance’ Position hat auch ein ethnisches, wenn auch nicht „rassistisches“ Element: „Ich identifiziere mich mit den Millionen weißer Amerikaner schottisch-irischer Abstammung, die keinen College-Abschluß haben“ – Nachkommen von Bergleuten, Land- und Industriearbeitern, die im Niedergang Amerikas zurückgelassen und von der Elite vergessen wurden. „Man nennt sie ‘Hillbillies’ (Hinterwäldler), ‘Rednecks’ (jene, denen die Sonne bei der Feldarbeit den Nacken rötet) oder ‘White Trash’ (Weißer Müll). Ich nenne sie Nachbarn, Freunde, Familie“, erklärte er. „Weiße Privilegien“ haben für die Vances und viele Familien wie sie wenig Bedeutung. 

Sein Buch trug dazu bei, das Phänomen Trump zu erklären, aber anstatt Trump 2016 im Wahlkampf zu unterstützen, nannte Vance dessen Politik „absurd“ und „unmoralisch“ sowie Trump selbst „verwerflich“.

Doch sein Ansatz oder seine Ansichten (oder beides) haben sich geändert: Im Jahr 2021 entschuldigte er sich bei Trump und besuchte ihn in Florida, was ihm den entscheidenden Rückhalt des Ex-Präsidenten einbrachte. Mit der Unterstützung von Trump, Peter Thiel, Fox-News-Moderator Tucker Carlson, der Abtreibungsgegner (2019 trat er zum Katholizismus über) und seiner ihm eigenen Redegewandtheit hat J. D. Vance im November gute Chancen.